„Helden-Tour“ auf dem Südwestfriedhof

Man hätte den ersten Friedhofsspaziergang 2019 getrost auch „Helden-Tour“ nennen können. Zum Einen ging es um bekannte (Franz Jacoby) und weniger bekannte Dortmunder Helden (Richard Hülsenbeck, Kalle Jürgen Wiersch), zum anderen waren 14 Wagemutige trotz des heftigen Regens und trotz der Sturmwarnungen zum Dortmunder Südwestfriedhof erschienen, um sich an der Runde zu beteiligen.

Zunächst ging es zur Grabstätte einer Dortmunder Größe, die nahe dem Westfalenstadion ruhen sollte und deshalb eigens umgebettet wurde, begleitet von vielen BVB-Fans: Franz Jacoby, einer der Gründer des BVB.

Das Grab von Richard Huelsenbeck auf dem Dortmunder Südwestfriedhof

Dann ging es jedoch weiter zum Grab einer anderen Dortmunder Größe, die weitaus weniger bekannt ist: Richard Huelsenbeck, der Dada-Künstler, der 1892 in Frankenau geboren wurde und 1974 in Muralto (Schweiz) starb.

Richard Hülsenbeck

Richard Hülsenbeck wurde als Sohn des Dorfapothekers in der Frankenauer Lindenstraße geboren und wuchs ab 1894 in Dortmund und Bochum auf. Früh las er Bücher über James Cooks Reisen, Marco Polo, Plutarch, Dante und Petrarca. Richard Hülsenbeck war anfangs von Heinrich Heine sehr beeindruckt. Das Werk Heines regte ihn an, Schriftsteller zu werden. Er studierte in Paris, Zürich, Berlin, Greifswald, Münster und München Medizin, Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte. Ab 1914 lebte er in Berlin, 1916 ging er als Kriegsdienstverweigerer nach Zürich. Huelsenbeck gilt heute als einer der großen Dada-Künstler.

Dada als Aufbruch und Abbruch

Da Da Do – zurückgebliebene Relikte einer Veranstaltung zu „100 Jahre Dada in Dortmund“

Hülsenbeck selbst schrieb in seiner Biographie: „Dada war für mich Aufbruch und Abbruch. Im freien Zürich, wo die Zeitungen sagen konnten, was sie wollten, wo man Zeitschriften gründete und Gedichte gegen den Krieg vortrug, hier wo es keine Brotkarten und keinen „Ersatz“ gab, hier hatte man die Möglichkeit, alles das hinauszuschreien, was einen bis zum Bersten erfüllte. So entstanden meine „Phantastischen Gebete“. Sie sind typisch dadaistisch, aber sie hätten auch ohne das Cabaret entstehen können. Sie sind menschlich, sie sind die Befreiung von unmöglichen Bedingungen – Parole in libertà, wie Marinetti das nannte. Allerdings anders und tiefer, mehr psychologisch oder besser seelisch, wie alles, was von Deutschland kommt, „seelisch“ ist.“

Kalle Jürgen Wiersch

Reinhard Timmer (links) erzählt von seinen Begegnungen mit Kalle Wiersch

Und nicht weit entfernt von Huelsenbecks Grab findet man die Grabstätte vom 2014 verstorbenen Kalle Jürgen Wiersch, ein großartiger (Dada)-Dichter, Erfinder des Dortmunder Poetry-Slam, Rezitator. Im Hauptberuf Sozialarbeiter im Dietrich-Keuning-Haus, engagierte sich Wiersch auf vielfache Weise kreativ (Forum Dunkelbunt berichtete). Und so setzte er sich auch dann, als er an Krebs erkrankt war und bis zu seinem Tod kreativ damit aueinander. So entstanden die „Tumoresken“, die er zusammen mit Reinhard Timmer (Gitarre/Gesang) auch auf die Bühne brachte.

Reinhard Timmer erzählte beim Friedhofsspaziergang von seinen beeindruckenden Begegnung mit Kalle Wiersch und auch davon, dass er nach dessen Tod sein „1. Dortmunder Wohnzimmertheater“ umbenannt hat in „Kalle-Wiersch-Theater“.

Anstoßgeber und Mutmacher

Markus Veith (rechts) erzählte von den Anfängen des Poetry-Slam in Dortmund

Auch Schauspieler Markus Veith war mitgekommen, der die Zeiten miterlebte, als Jürgen Kalle Wiersch in Dortmund quasi den Poetry-Slam erfand, wobei das damals noch Poetry-Jam hieß und von Kalle Wiersch so geplant war, dass weniger der Wettbewerb im Vordergrund steht sondern vielmehr der Mut, seine Gefühle auch auf der Bühne auszudrücken.

Beate Schwedler (Vorsitzende Forum Dunkelbunt e.V.) las Texte von Kalle Wiersch

Beate Schwedler, Vorsitzende des Vereins Forum Dunkelbunt e.V., las einige der „Tumoresken“ vor, wobei es schwierig ist, in die Fußstapfen eines so intensiven Rezitators zu steigen, wie Kalle Wiersch es war. Aber auch wenn seine Vortragsweise eine so außerordentliche Wirkungskraft besaß, stehen seine Texte auch so für sich – heute.

Ein gelunger Auftakt der Friedhofsspaziergangsreihe 2019, die vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen mit einem Heimatscheck gefördert wurde.

 

 

 

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