Uwe Schmidt: Dekorateur, Steiger, Urnenträger

Dekorateur, Steiger, Urnenträger: Das klingt nach einer bunten und interessanten Mischung. Uwe Schmidt aus Bochum hat diverse Tätigkeiten ausgeübt und arbeitet nun als Urnenträger bei dem Bestattungsinstitut  „Lichtblick“ in Bochum.

Vincent Marc Schnelle hat sich mit Uwe in der Bochumer Innenstadt bei Sonnenschein und Kaffee getroffen, um über die berufliche Tätigkeit des Urnenträgers zu sprechen und hat dabei einige spannende Einblicke erhalten.

Forum Dunkelbunt: Herr Schmidt, es freut mich, dass wir uns heute treffen können und über ihre Tätigkeit als Urnenträger sprechen können.

Uwe Schmidt vor dem Dienstfahrzeug

Uwe Schmidt: Freut mich auch, aber wenn es nichts ausmacht, dann können wir uns gerne duzen. Ist mir lieber.

Forum Dunkelbunt: Klar gerne. Dann erzähl doch mal, wie kam es denn dazu, dass du als Urnenträger arbeitest?

Uwe Schmidt: Also eigentlich ist das ganz spontan bei einem Kegelabend entstanden. Dazu muss ich sagen, dass ich bereits Frührentner bin und früher unter Tage, als Steiger in verschiedenen Zechen im Ruhrgebiet gearbeitet habe. Jedenfalls hat mich dann mal ein Bekannter angesprochen, ob ich mir nicht noch ein bisschen was dazu verdienen wolle und mir vorstellen könnte, als Urnenträger auszuhelfen. Rechtlich gesehen, wäre ich dann geringfügig Beschäftigter und würde immer pro Bestattung eine Aufwandsentschädigung erhalten.

Ich fand die Idee gar nicht schlecht und habe kurzum entschieden, mal mitzuhelfen. Das hat dann alles so gut funktioniert und hat mich so sehr berührt, dass ich das gerne weiter machen wollte.

„Die Arbeit macht mir Spaß“

Bevor es losgeht, muss die Trauerhalle dekoriert werden.

Forum Dunkelbunt: Und wie war deine erste Beerdigung?

Uwe Schmidt: Bei der ersten Bestattung war ich doch ganz schön nervös, was sich aber schnell gelegt hat. Natürlich habe ich versucht besonders vorsichtig und aufmerksam zu sein, damit ja nichts schief geht. Doch sobald ich die erste Urne in den Händen hielt, lief es völlig normal ab, fast schon routiniert und es hat mir Spaß gemacht.

Forum Dunkelbunt: Hattest du denn keine Angst, dass die Urne eventuell herunterfallen könnte?

Uwe Schmidt: (lacht) Nene, dass passiert nicht. Bei einer Bestattung läuft es immer sehr fokussiert und aufrichtig ab. Ich habe noch nie gehört, dass einem die Urne aus den Händen rutscht. Da passen wir schon sehr genau auf.

Forum Dunkelbunt: Wie kann ich mir einen typischen Ablauf eines Urnenträgers vorstellen? Worauf müsst ihr am Tag der Bestattung achten und was gehört zu deinen Aufgabengebieten?

Vor der Trauerfeier: Uwe Schmidt und seine Kollegin Marion Demba nehmen die Trauergäste in Empfang.

Uwe Schmidt: Mir persönlich ist eine gewisse Routine und Ordnung sehr wichtig und hilft mir bei jeder Bestattung. Ich möchte die Wünsche der Trauernden so gut wie möglich erfüllen und ihnen einen angenehmen Abschied ermöglichen. Ich helfe aber auch bei den Vorbereitungen in der Trauerhalle, stelle Blumendekoration und Kerzenleuchter auf und verteile Liedzettel.

Nach der Trauerfeier gehen meine Kollegin und ich vor den Trauergästen her und geben das Tempo an. Langsamen Schrittes, sehr bedacht und immer in gemeinsamer Abstimmung.

Dabei trage ich stets einen schwarzen Anzug, eine schwarze Krawatte und ganz wichtig, weiße Handschuhe. Die Urne selbst ist mit einer Kordel versehen, die wir benötigen um die Urne in das Grab hinabzulassen. Sobald wir am Grab angekommen sind, lassen wir die Urne ganz langsam mit der Kordel herab, verbeugen uns aufrichtig und verlassen den Schauplatz, damit die Trauergäste für die Verabschiedung mit der verstorbenen Person und eventuell dem Pfarrer alleine sein können.

Forum Dunkelbunt: Kommt es auch mal vor, dass ein Trauergast die Urne zum Grab tragen möchte?

Uwe Schmidt: Ja auf jeden Fall, es ist zwar eher selten, kommt aber vor. Wir gestatten es natürlich den Angehörigen die Urne bis zum Grab zu tragen, die Urne aber ins Grab einzulassen, ist dann wieder unsere Aufgabe. Der entscheidende und wichtigste Moment tritt ein, wenn die Urne eingelassen wird und dafür braucht es eine gewisse Erfahrung. Und wir als professionelle Träger wissen um diesen Moment.

 Forum Dunkelbunt: Gibt es für dich denn auch Momente, die dir selbst sehr nahe gehen?

Uwe Schmidt: Das kommt immer mal wieder vor. Es ist berührt mich schon, wenn ich so viele Menschen um ihre geliebte Person trauern sehe. Ganz schlimm finde ich es, wenn ich junge Menschen darunter sehe, da muss ich mich manchmal stark zurückhalten, um nicht selbst zu weinen. Letztlich geht das aber schnell wieder weg, weil ich den Schauplatz ja ebenfalls zeitnah verlasse und wir immer eine professionelle Distanz wahren. Aber so ganz spurlos geht das wahrscheinlich an niemanden vorüber. Ich finde das auch in Ordnung, denn schließlich bin ich ein Mensch mit Gefühlen und andere Menschen lösen eben auch bei mir Gefühle aus.

Forum Dunkelbunt: Glaubst du, es gibt auch Grenzen für dich? Würdest du bestimmte Beerdigungen nicht begleiten?

Uwe Schmidt privat – im Urlaub mit seiner Frau.

Uwe Schmidt: Ich stelle mir sehr schlimm vor, ein Kind zu beerdigen. Ich denke, da würde ich wohl meine Kollegen bitten, mich zu vertreten. Das könnte ich womöglich nicht und ist bisher, zum Glück auch noch nicht passiert.

Alles in allem macht mir die Arbeit aber Spaß, ich bin an der frischen Luft, haben mit vielen unterschiedlichen Menschen zu tun und mache einen ganz normalen Job, der eben gemacht werden muss.

„Ich habe mit vielen unterschiedlichen Menschen zu tun und mache einen ganz normalen Job“

Forum Dunkelbunt: Gab es in deinem Umfeld auch Menschen, die es eher anstößig oder unangenehm empfinden?

Uwe Schmidt: Im Gegenteil. Ich erhalte durchweg Zuspruch und Akzeptanz von meinen Freunden und meiner Familie. Sogar mein Sohn findet es klasse, dass ich einigen Menschen auf ihrem Weg zum Grab dabei helfe.

Besonders toll finde ich es, wenn Freunde zu mir kommen und sagen: Hömma Uwe, du bringst mich später ja wohl auch sicher unter die Erde oder? Das finde ich unglaublich liebenswert und respektvoll. Ich würde mir ebenfalls wünschen, dass ein guter Freund mir die letzte Ehre erweist und mich sicher unter die Erde bringt. Ist doch ein schöner Gedanke oder?

Forum Dunkelbunt: Hast du das Gefühl, dass sich bei Bestattungen in den letzten Jahren etwas verändert hat?

Uwe Schmidt: Eigentlich nicht. Ich glaube eine Bestattung ist eines der Rituale, bei denen ein eher kleiner Spielraum für Veränderungen vorherrscht. Die Vorgehensweise ist immer ähnlich und die Wünsche weichen nur minimal voneinander ab, wenngleich sie natürlich trotzdem sehr persönlicher Natur sind. Was mir aber auffällt ist, dass immer mehr Bestattungen in einem Kolumbarium gewünscht sind.

Forum Dunkelbunt: In einem Kolumbarium? Was kann ich mir darunter vorstellen?

Uwe Schmidt: In einem Kolumbarium werden die Urnen in entsprechenden Nischen reihenweise und übereinander aufbewahrt. Vielleicht hast du das schon einmal in südlichen Ländern gesehen, wo Kolumbarien ein weitverbreiteter Bestandteil der Begräbniskultur ist. Die ursprüngliche Bezeichnung wurde für einen Taubenschlag verwendet. Später wurden die altrömischen Grabkammern aufgrund der Ähnlichkeit dann auch so benannt und fortan zur Aufbewahrung von Urnen nach Feuerbestattungen genutzt.

Forum Dunkelbunt: Interessant, woher glaubst du kommt diese Veränderung?

Uwe Schmidt: Dafür gibt es sicherlich verschiedene Beweggründe. Allerdings muss man festhalten, dass ein Kolumbarium pflegeleichter, kostengünstiger, vielleicht auch einfach moderner und zeitlich angepasster. Ich kann es nur schwer beurteilen, doch finde ich ein Begräbnis in einem Kolumbarium genauso anrührend und emotional wie eine Erdbestattung. Schließlich muss das jeder für sich selbst entscheiden.

Und die Menschen achten heutzutage einfach verstärkt auch auf die finanziellen Aspekte einer Beerdigung. Deswegen arbeiten wir auch nicht nur in Bochum, sondern haben Bestattungen in  ganz NRW. Erst kürzlich waren wir in Weeze, auf einem Waldfriedhof in Haltern, in Essen oder Oberhausen. Das ist schon sehr abwechslungsreich und ich komme zusätzlich noch ein bisschen rum.

Forum Dunkelbunt: Das stimmt, wobei du das Ruhrgebiet ja auch durch deine frühere Arbeit ganz gut kennst.

Uwe Schmidt: Da hast du Recht. Ich habe erst Dekorateur gelernt. Das kommt mir jetzt zu Gute, wenn wir beispielsweise eine Trauerhalle schmücken müssen. Durch meinen Vater kam ich dann zum Bergbau und habe als junger Mann auf verschiedenen Schachtanlagen des Ruhrgebiets gearbeitet. Dann habe ich mich hochgearbeitet mit Abendschulen zum Betriebsstudienhauer, bzw. zum Kalkulator – eine Art Steiger. Das war eine sehr schöne Zeit, wenngleich natürlich auch anstrengend. Wir hatten aber immer unseren Spaß und hatten eine kumpelhafte Freundschaft. Nach einem Arbeitsunfall bin ich in Rente gegangen.

Forum Dunkelbunt: Zum Schluss interessiert mich aber doch noch, wie du dir selbst deine Beerdigung vorstellst?

Uwe Schmidt: Tja, ich hätte gerne eine schöne und fröhliche Trauerfeier, so als würde mein Leben noch einmal passieren, für einen kleinen Moment, mit allen die mir lieb und nahe waren. Dazu gehört eine ausgelassene Stimmung, ein leckeres Bierchen und es soll der Song – Where the streets have no name – von U2 gespielt werden. Friedhöfe haben ja auch keine Straßennamen und ich finde das als großer U2-Fan irgendwie passend. Das würde ich mir wünschen und ich bin auch ganz zuversichtlich, dass meine Angehörigen mir diesen Wunsch erfüllen werden.

Forum Dunkelbunt: Das klingt schön und ich möchte mich für dieses sehr interessante Gespräch bedanken.

Persönliche Anmerkung:

Ob Urne oder Sarg, bei Bestattungen müssen diese durch Menschenhand zum Grab gebracht werden und noch kann diesen Job keine Maschine ersetzen. Auch wenn manche Bestattungsinstitute heutzutage bereits Grabversenkungsmaschinen nutzen, ist es doch höchst unpersönlich und selten. Ich bin froh, mit Uwe über den Beruf des Urnenträgers gesprochen zu haben und empfinde eine gewisse Leichtigkeit bei dem Gedanken daran, dass ein Mensch mit Herz und Seele diesen Akt der Beerdigung übernimmt, dabei noch Spaß empfindet und auch mal eine Träne verdrücken kann. Denn in ganz NRW sinkt die Zahl der Grabträger, weil es nur noch wenige Menschen gibt, die dieser Tätigkeit nachkommen möchte. Drum hoffe ich, dass es auch in Zukunft noch Menschen wie Uwe gibt, die diese Aufgabe mit Herz und Seele, Pietät und Würde ausführen und dabei auch noch Freude empfinden können.

Text: Vincent Marc Schnelle

Dieser Beitrag wurde 2013 mal näher angesehen!