Körperwelten: „Faszinierend, nicht abschreckend“

Die einen schaudert es, die anderen sind fasziniert. Die Ausstellung „Körperwelten“ berührt Menschen an einem besonderen Punkt, dem Umgang mit dem toten Menschenkörper. Kathrin Im Winkel beschreibt hier ihre persönlichen Eindrücke vom Besuch der Ausstellung:

„Gemeinsam mit Freunden habe ich mir in Mülheim a.d. Ruhr die Ausstellung `Körperwelten – Eine Herzenssache` angesehen. Schwerpunktthema ist das menschliche Herz.

Im Jahr 2000 habe ich bereits die erste Ausstellung – damals in Köln besucht und war sehr gespannt, was sich verändert hat. Ich kann mich gut daran erinnern, welch beklemmendes Gefühl ich hatte, als ich damals in dieser langen Warteschlange stand, um in die Ausstellung zu kommen. Der Plastinator, Gunther von Hagens stand stark im medialen Interesse und auch stark unter Beschuss, was Moral und Ethik seiner Exponate angeht. Ich kann mich erinnern, dass ich schon damals sehr fasziniert von der Ausstellung war, denn die Plastinate waren sehr kunstvoll ausgestellt. Es ging darum, den Körper nah zu bringen und das auf eine künstlerische Art und Weise. Es war nicht eklig oder abstoßend, im Gegenteil. Es hat eine Faszination geweckt, die ich vor dem Hintergrund des Medienechos schon fast als zweifelhaft empfand.

Fotos: Körperwelten

Kraftwerk des Körpers

Die derzeitige Ausstellung in Mülheim zeigt Plastinate von damals und auch neue mit dazu. Sie ist als Rundgang angelegt und der rote Faden ist das Herz und unser Herz-Kreislauf-System. Die Exponate werden größtenteils in Glaskästen gezeigt und dazu gibt es eine Menge Informationstafeln, um den Besucher*innen sowohl medizinische, wie auch religiöse und ethische Inhalten zu vermitteln. Das Herz steht also als Kraftwerk des Körpers in der Medizin, als Sitz der Gefühle oder Seele in philosophischer Thematik im Mittelpunkt.

 

Darüber hinaus gibt es Exponate, die den kompletten Körper zeigen, es werden das Nervensystem und Blutbahnen ebenso erklärt wie der Verdauungstrakt oder die Fortpflanzung. Es gibt viele Schautafeln, gut erklärende Informationen rund um den menschlichen Organismus.

Leistung des Herzens

Der Rundgang startet mit einem Plastinat, das man vielleicht gar nicht als echtes Herz erkennen mag. Es ist in glänzendes Harz eingegossen und die Farben wurden künstlich nachgearbeitet. Es leuchtet förmlich in seinem Schaukasten und glänzt in sattem Blutrot.

Im weiteren Verlauf geht es um die Leistung des Herzens. Hier gibt es Vergleiche von einem normalen Herzen mit dem eines Leistungssportlers. Es geht um Herzfehler und Krankheiten, um künstliche Herzen und Transplantationen, ebenso wie um Missbildungen und medizinischen Fortschritt und  nicht zu vergessen um alles rund um Religion, Ethik, Kunst und Philosophie zum Thema Herz.

Die Plastinate sind künstlerisch herausgearbeitet. Wer mit dem Anspruch an medizinisches, anatomisches Wissen in die Ausstellung geht, wird auch fündig. Mit uns zusammen waren zufällig einige Ärzte und medizinisches Fachpersonal in der Ausstellung. Ich konnte ein paar Gesprächsfetzen auffangen und mitbekommen, wie Operationstechniken anhand der Plastinate durchgespielt wurden. Ein anderer hat einer Besucherin die Arthrose im Knie anhand des Exponates anschaulich erklären können. Für mich als stiller Zuhörer war das eine zusätzliche Bereicherung.

Kinder in der Ausstellung

Es waren Kinder mit in der Ausstellung, die überhaupt keine Berührungsängste hatte, niemand fühlte sich abgeschreckt. Ganz im Gegenteil. Meine Freunde und ich mussten uns zwischendurch immer mal wieder bewusst machen, dass es sich hier um wirklich echte Verstorbene handelt, denn es wirkt alles eher künstlich. Die Farben werden natürlich bei einigen Exponaten verstärkt, bei anderen sind die Farben eher verblasst und beides verfremdet den Körper unglaublich. Allerdings haben viele Exponate – vor allem die kompletten Körper- noch besondere persönliche Merkmale. Sie haben einige noch den Bauchnabel, oder die Augenlider und Wimpern, die Augenbrauen oder die Falten und Poren auf der Haut. Ein Plastinat hat die Kopfhaut mit Haaren noch dabei, so dass die Menschlichkeit und der Respekt den Verstorbenen gegenüber im Vordergrund steht. Wo es bei einigen um die reine Struktur und nahezu mathematisch korrekte Darstellung geht, wie zum Beispiel beim Nervengeflecht oder den Blutgefäßen, so steht die Menschlichkeit bei den Körpern im Vordergrund, die als komplette Person ausgestellt werden.

Information und Kunstausstellung

Alles in Allem haben wir uns mit vielen Informationen und Eindrücken versorgen können, viel gelernt über den Körper und seine Funktionen, das Zusammenspiel von Herz und Lebensweise und gleichzeitig eine Kunstausstellung genießen dürfen.

Hier ein paar Kommentare meiner Begleiter*innen:

“Die Füße sind faszinierend, hier kann man sehr genau erkennen, wie viele Muskeln, Blutgefäße und Nerven an der Bewegung beteiligt sind und welch komplexes Meisterwerk ein menschlicher Fuß ist.”

“Die Nervenbahnen, das waren gar nicht so viele und sah aus wie ein Einkaufsnetz, gar nicht so dicht, wie ich gedacht habe.”

“Die Verstorbenen werden ja hier nicht zur Schau gestellt. Das ist ja total respektvoll. Ich find es nicht einmal komisch und denke nicht, dass man da gafft.”

“Du hast es nicht betrachtet, als würdest du vor einer Leiche stehen.”

“Die Embryonen sahen eher aus wie Plastikpüppchen”

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