„Die Freiheit zu leben und zu sterben“ – ein Bekenntnis von Tilmann Jens

„Mir wird keiner Grenzen setzen, die ich nicht akzeptieren kann.“ So beschreibt Tilman Jens seine Lebenshaltung. Keiner, das heißt: auch der Diabetes nicht, der Zug um Zug von seinem Körper Besitz ergriff. Doch was, wenn Aufbegehren nichts hilft, wenn eine Krankheit dem Leben Grenzen setzt und Selbstbestimmung und Freiheit an ihr Ende kommen?

In „Die Freiheit zu leben und zu sterben – ein Bekenntnis“ erforscht der Autor, Journalist und Schriftsteller an seinem eigenen Fall, was geschieht, wenn das allzuoft Verdrängte sich Bahn bricht. Er erzählt von einem angekündigten Tod – von seinem Tod – und dabei wird deutlich, worum es für uns alle geht: um das unausweichliche Ende und wie damit umzugehen sei.

Ein Buch über Diabetes sollte es werden, dieses letzte Projekt von Tilman Jens. Genauso ehrlich und rückhaltlos sollte es werden wie „Demenz“, das 2009 veröffentlichte Buch über den Abschied von seinem Vater Walter Jens. Fünf von geplanten sechs Kapiteln liegen vor – das Buch blieb unvollendet. Am 29. Juli 2020 hat Tilman Jens seinem Leben ein Ende gesetzt.

Das Buch wird also vom Ende her gelesen: Jens erzählt von einem angekündigten Tod, von seinem Tod. Es geht um die Frage, wie wir unser Leben leben wollen: Gestalten wir es selbst, gehen wir unseren eigenen Weg – oder lassen wir uns von anderen Menschen vorschreiben, wie wir zu leben haben? Und: Erleiden wir unser Ende oder nehmen wir es selbst in die Hand? Diese Fragen durchziehen Tilman Jens letztes Buch – was damit im Zentrum der Debatte um einen selbstbestimmten Tod steht.

Tilman Jens (1954 – 2020) lebte als Autor in Leipzig. In den Medien breit diskutiert wurde sein Buch über die Erkrankung seines Vaters Walter Jens: „Demenz. Abschied von meinem Vater“.

„…was aber wäre, wenn du Alzheimer hättest? Darf das ein Sohn fragen? Ich durfte. Und mein Vater war in seinem Element: Wenn die Autonomie des Menschen nicht mehr im Zentrum steht, wenn ich nicht sagen kann, Tilman, du siehst selbst, es ist an der Zeit – ich sage dem Mann da oben – er meinte nicht Gott, sondern den Dichter des Hyperion, der in seinem goldgelben Neckarturm fast 40 Jahre lang dem Tod entgegendämmerte – ich sage mit Friedrich Hölderlin: April, Mai und Junius sind ferne, ich bin nichts mehr, ich lebe nicht mehr gerne… dann möchte ich das mir von Gott geschenkte Leben zurückgeben. Was ihm Angst machte, war die Vorstellung, einer unheilbaren Krankheit, einem endlosen Siechtum wehrlos ausgeliefert zu sein: Ich will sterben, nicht gestorben werden.

(Foto: Verlag Ludwig)

Tilman Jens
Die Freiheit zu leben und zu sterben – Ein Bekenntnis
Verlag Ludwig
Hardcover mit Schutzumschlag, 192 Seiten, 12,5 x 20,0 cm
ISBN: 978-3-453-28142-4
20 Euro

 

 

 

 

Hintergrundinfo:

Walter Jens, Hans Küng
Menschenwürdig sterben
256 Seiten
Taschenbuch
Verlag Piper
Erschienen 2010
auch antiquarisch erhältlich

Dieser Beitrag wurde 4048 mal näher angesehen!