Wenn Angehörige nicht Abschied nehmen können

Als Jörg erfährt, dass seine Frau Carola an Krebs erkrankt ist, ahnt er nicht, dass ihnen nur noch ein paar Wochen bleiben. „Sie war voller Zuversicht. Die Chemo war erfolgreich, sie fühlte sich gut, wir wollten sogar verreisen.“ Carola ist erst 39 Jahre alt, Mutter der vierjährigen Clara. Sie hat doch das ganze Leben noch vor sich.

Als Jörg einmal versucht, mit seiner Frau darüber zu sprechen, was denn wäre, wenn das Ganze nicht gut ausgeht, habe sie ganz bestürzt reagiert: „Du tust ja gerade so, als wäre ich gleich tot!“ Der Gedanke ans Sterben wird verdrängt. Doch dann ganz plötzlich sagen die Ärzte, Carola müsse ins Koma gelegt werden. Daraus wacht sie nie mehr auf. Abschied nehmen können Jörg und Clara nicht. Jörg quälen Schuldgefühle. Was hätte er seiner Frau nicht noch alles sagen wollen! Eine Trauergruppe hilft ihnen bei der Verarbeitung. Gemeinsam bemalen sie einen Sarg mit Botschaften an Carola. Eine Hilfe und ein Trost, wenn ein Abschied nicht möglich war.

„Wenn ein Mensch stirbt, ohne dass die Angehörigen dabei sein können, zum Beispiel auch bei einem Unfall, können bei den Hinterbliebenen jahrelange Spätfolgen entstehen“, sagt Seelsorger Friedrich Brand. Hinzu kommen Horrorvorstellungen: Ist mein Angehöriger einsam, qualvoll, voller Angst gestorben?

Beim Lockdown wegen der Corona-Pandemie herrscht(e) in Kliniken zeitweise ein totales Kontaktverbot. Patienten sind isoliert. So wie bei Familie Hucks in Duisburg. Wochenlang darf niemand aus der Familie Annemarie (83) besuchen. Nach sechs Wochen erhalten sie plötzlich die Todesnachricht aus der Klinik. Auch sie plagen Schuldgefühle: Haben sie ihre Ehefrau und Mutter im Stich gelassen?

Menschen hautnah erzählt die Geschichten von Menschen, die nicht Abschied nehmen konnten und was das für ihre Trauer bedeutet. Ein Thema, das gerade im erneuten Lockdown im Dezember 2020 viele weitere Menschen betrifft.

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