Film Zum Tod meiner Mutter: „Es entsteht viel Gesprächsbedarf!“

Jessica Krummacher verarbeitet in ihrem zweiten Spielfilm ein persönliches Erlebnis und erzählt lebendig und ergreifend vom Tod der Mutter. Ohne Gewalt und Düsterkeit schildert die Regisseurin dieses wichtige Ereignis im Leben anhand von winzigen Details: gesprochene Worte, Texte und liebevolle Gesten, die unter die Haut gehen und im Gedächtnis bleiben.

 

Als der Film beginnt, ist schon alles vorbei. „Wir wissen, dass es zu Ende geht; mehr nicht“, sagt Juliane über ihre leidende Mutter Kerstin, die schwer erkrankt ist und mit nur 64 Jahren sterben wird. Der junge Arzt, den Juliane konsultiert, ist zwar persönlich der Meinung, jeder habe das Recht, über den eigenen Tod zu bestimmen, weist sie aber darauf hin, dass Sterbehilfe in Deutschland immer noch verboten ist, zumal in dem katholischen Pflegeheim, in dem Kerstin untergebracht ist.

Zum Tode meiner Mutter . Szenebild. (Foto: Grandfilm)

Freunde und Angehörige kommen, um sich von ihrer Mutter zu verabschieden; emotionsgeladene Erinnerungen und Vorgefühle der Trauer mischen sich. Juliane kämpft gegen die Zeit – eine unerbittliche, apathische und monochrome Zeit –, hervorragend gespiegelt durch die Erschütterungen in den weiten Handkameraaufnahmen. Wir führten zu dem Film ein Interview mit Jessica Krummacher:

Jessica Krummacher (Foto: Clara Mernette)

Forum Dunkelbunt: Sie schildern die Geschichte von Juliane und ihr schwerkranken Mutter als einen langsamen, schmerzhaften Abschied. Sie selbst haben den Tod ihrer Mutter begleitet und erzählengewissermaßen ihre eigene Geschichte. Was hat Sie bewegt, den Prozess der Abschiednahme so eindringlich darzustellen – und kommt Ihnen das Geschehen nicht manchmal zu nah?

Jessica Krummacher: Ich kann nicht genau sagen, was der EINE Auslöser war, meine und unsere Geschichte, in eine zunächst literarische, dann künstlerische, filmische Form zu bringen. Irgendwie stand aber schon bald fest, dass ich über das Erlebte erzählen möchte: nicht in erster Linie weil ich etwas verarbeiten musste, sondern viel mehr, um tatsächlich davon zu erzählen.
Ich mache Autorenfilme und erzähle gerne von Dingen, mit den ich mich gut auskenne. Das hilft mir bei der Arbeit und inspiriert mich immer wieder neu mit der KUNST und dem LEBEN umzugehen. Erlebtes zu verwandeln, zu überhöhen: dadurch etwas hervorzuheben.
Das Leben und der Tod, der ja nun (leider) dazu gehört, sind die Leitmotive meiner bisherigen Filme. Warum das genau so ist, kann ich nicht sagen. Und ob mir das nicht zu nah kommt? Doch oft, aber es interessiert mich, fesselt mich, fordert mich und meine Kunst heraus. Es lässt mich nicht los.

Zum Tode meiner Mutter – Szenebild. (Foto: Grandfilm)

Forum Dunkelbunt: In dem Film ringen die beteiligten Personen immer wieder um eine angemessen Sprache, einen angemessenen Umgang mit dem Tod. Sie machen bewusst, wie schwer es sein kann, über alles Konkrete im Sterbeprozess zu sprechen. Wir als Verein Forum Dunkelbunt haben uns zum Ziel gesetzt, das Thema Sterben und Tod mehr ins Leben zu holen. Hoffen Sie auch, Mut zu machen, ins Sprechen zu kommen?

Jessica Krummacher: Ja. Auf jeden Fall. Ich erlebe bei den Vorführungen meines Films fast ausschließlich positive, obwohl natürlich sehr traurige Reaktionen – und es entsteht viel Gesprächsbedarf. Ich glaube der Film und seine Form lassen zu, dass man sich selbst und seine individuellen Erfahrungen mit dem Tod einbringen kann. Es ist erlaubt. Viele der Zuschauer weinen einfach zwei Stunden ungehemmt (?).
Ich glaube, dass tut dem Thema erstmal sehr gut und uns Zuschauern auch. Es ist nicht immer Raum dafür da, den Gedanken zuzulassen, wie möchte ich sterben – und sich dann auch mit anderen darüber auseinanderzusetzen.

Zum Tode meiner Mutter – Szenenbild. (Foto: Grandfilm)

Forum Dunkelbunt: Ihr Film zeigt eindrücklich: Es ist nicht einfach zu sterben. Gleichzeitig zeigen Sie auch die Intensität und Nähe der Beziehung zwischen Tochter und Mutter in dieser Zeit. Ist eins ohne das andere vielleicht gar nicht möglich?
Jessica Krummacher: Leider sterben viele von uns, vielleicht sogar ein Großteil eher allein, oder? Intensität und Nähe sind vermutlich nicht der Hauptquell des Sterbens. Zu Intensität und Nähe fähig zu sein, erfordert im gewissen Maß Leidenschaft – und die verbinden wir selten mit dem Sterben und dem Tod.


Vielleicht ist es in unserer Gesellschaft tatsächlich unheimlich hinderlich, dass wir das Sterben als etwas rein Negatives beschreiben, wenig darüber reden und so unser Umgang mit dem Tod immer als etwas Schweres erleben. Was es ja auch ist und sein darf.
Sterben und der Tod sind unheimlich traurig und tun weh. Wir wollen nicht sterben, oder jemanden Geliebten sterben sehen. Wir weisen es von uns. Was Nähe erstmal verhindert. Lassen wir Intensitätund Nähe aber zu, ist die Erfahrung dem Sterben beizuwohnen, eine sehr große und reiche – und lässt uns vielleicht auch ein bisschen weiser werden?

Forum Dunkelbunt: Für die Tochter im Film ist die Begleitung ein riesiger Kraftakt – woher kann die Kraft kommen, die man für eine solche Begleitung braucht?
Jessica Krummacher: Aus unendlicher Liebe.

Zur Person

Jessica Krummacher ist Autorin, Regisseurin und Produzentin. Sie ist Absolventin der HFF München für Dokumentarfilm und Fernsehpublizistik, studierte an der HFG Karlsruhe Medienkunst und an der Ruhr-Universität Bochum Politik. Freiberuflich ist sie in verschiedenen Positionen bei Film und Fernsehen tätig. Nach „Totem“ (2011) ist „Zum Tod meiner Mutter“ ihr zweiter Film als Autorin und Regisseurin in Spielfilmlänge.

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