Das zweite Windtelefon Deutschlands

Eine besondere Telefonzelle steht jetzt auf dem Kasseler Hauptfriedhof. Telefonieren kann man damit nicht. Sie soll ein Ort zum Trauern sein.

„Ich lese Ihnen etwas vor“, sagt Eckehart Göritz zur Eröffnung der Veranstaltung in der Kapelle des Hauptfriedhofs. Mit gleichmäßiger Stimme erzählt er, was sein Leben wie ein roter Faden durchzieht: der Verlust des Vaters. „Ein amerikanischer Soldat, ich habe ihn nie kennengelernt und mein ganzes Leben lang nach ihm gesucht, bis ich ihn fand, in einer Stadt in New Jersey, wo er begraben ist“, sagt er. „Die Trauer, die drängende Suche und die starke innere, unklare Verbindung, das war immer wie ein Klopfen im Kopf“, beschreibt es Göritz.

Dies ist die Erfahrung des Leiters der Kasseler Friedhofsverwaltung, seiner lebenslangen Trauer über einen schweren Verlust, und sie lässt ahnen, worum es beim „Windtelefon“ gehen soll. So heißt das neue Projekt, das von „Hier im Quartier“ angestoßen wurde. Ein weinrotes Telefonhäuschen steht jetzt auf dem Hauptfriedhof, als Anlaufstelle für Trauernde. Es soll Mut machen, anregen, sich mit Verstorbenen und Lebenden auszutauschen, mit ihnen in Kontakt zu treten. Dem Windtelefon kann man Gedanken, Gefühle, Erinnerungen, Kummer, Sehnsucht, Geheimnisse, Nichtgesagtes anvertrauen – sozusagen in die Welt hinaustragen und Verbindungen knüpfen.

Die Idee dazu hatte ein japanischer Künstler, der 2010 in seinem Garten eine ausrangierte Telefonzelle aufstellte, um mit Verstorbenen zu sprechen. Nach der schweren Tsunami-Flut 2011 wurde sein Garten zur Pilger- und Gedenkstätte für die Toten:

Quelle: HNA

Foto: Eine Telefonzelle als Ort der Trauer: Mirko Zapp (von links, Kulturzentrum Schlachthof), Gerritt Retterath, Alia Aboukhaddour und Daniel Krooß eröffneten das Windtelefon auf dem Hauptfriedhof. © Sabine Oschmann

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