Was macht die Krebsdiagnose mit dem Partner oder der Partnerin? In diesem Text des Selbsthilfe-Forums beschreibt Martin, wie es ihm erging:
„Das macht eine Diagnose: Ein manchmal hilflos langer Weg bis dahin, ein Alltag, der total auf den Kopf gestellt ist und ein Partner, der in alledem Perspektiven sucht.
Seit nun 8 Monaten waren wir auf der Suche, warum es meiner Frau nicht gut ging. Ein Weg geprägt voller Enttäuschung, Unverständnis und Hilflosigkeit. Verlorene Zeit, die wir für die Lösung des Puzzles verbrauchten.
Dann endlich die richtige Klinik. Es sah alles nach einer Lungenentzündung aus und meine Frau sollte entlassen werden. Wir wollten gerade gehen. Die Koffer in der Hand.
Dann bekamen wir die Nachricht, dass es Lungenkrebs ist. Das riss uns den Boden unter den Füßen weg.
Für mich war dieses Gefühl, wenn ich es beschreiben soll, wirklich so:
Der Arzt packte mich, hob mich in die Luft, legte mich auf sein Knie und brach mich dann einfach durch. Genauso fühlte ich mich. Als ein gebrochener Mensch.
Ich weiß noch, wie meine Frau fragte, wie lange sie noch habe.
„Vielleicht ein halbes, bis ein Jahr.“
In diesem Moment war ich vor allem traurig geschockt. Meine ganze Lebensplanung war dahin. Ich war mit meiner Frau verheiratet, weil ich sie liebe und mit ihr alt werden wollte.
Alles zunichte.
Nicht einfach aufgeben – Hilfe holen
Aber ich wollte mir dieses Schicksal nicht gefallen lassen. Ich wollte was dagegen machen und nicht einfach aufgeben. Also passte ich im Folgenden auf, sog jedes Wort der Ärzte auf. Informieren, verstehen und Lösungen finden.
Mir war auch klar, dass dies alles unglaublich belastend sein wird und suchte deshalb von Anfang an psychologische Unterstützung. Die Möglichkeit haben abzuladen, um voll und ganz für meine Frau da zu sein. Für die erste Zeit bat ich einen Seelsorger um Hilfe. Der hinderte mich daran, erstmal alles zu überstürzen.
Ich brauchte aber noch mehr Unterstützung und nahm deswegen am Tag nach der Diagnose die Familie mit ins Boot. Und das war auch richtig so.
Verstehen und vertrauen
Nachdem die ersten Dinge geregelt waren, kämpften wir nun im Team gegen die Krebserkrankung meiner Frau. Und wir trafen eine Vereinbarung: Wenn sie nicht reden kann, weil sie beispielsweise gerade keine Luft bekommt oder weinen muss, dann rede ich für sie. Das half uns in vielen Situationen weiter.
Ich musste aber auch lernen, ihr Hoffnung zu machen. Anfangs war ich zu realistisch, was sie im Grunde nur runter zog. Aber mit der Zeit eignete ich mir wieder einen Optimismus zu, der ihr Zuversicht gab.
In der folgenden Zeit unseres Kampfes versuchte ich meine Frau zu allen Terminen zu begleiten und sie damit zu unterstützen. Ich stellte die dummen Fragen, die die Ärzte nervten. Ich übersetzte ihr die Arztbriefe und erklärte ihre alle Therapien. Verstehen und Vertrauen.
Am schwierigsten war es aber den Kampfmodus zu Hause abzulegen. Deswegen stritten wir uns oft. Nachdem uns das aber mal jemand erklärt hatte, wurde es besser.
Wir wollten uns auch mit anderen Betroffenen austauschen, um von ihnen zu lernen, denn wir standen vor unüberwindbare Hürden. In einer Selbsthilfegruppe außerhalb von Dortmund unterstützte man uns diesbezüglich.
Das bleibt zu tun: Mein Lachen zurückgewinnen
Meine Frau und ich waren uns immer sehr nahe. Zusammen strahlten wir etwas aus. Wir funktionierten super im Team und stemmten schier unmögliche Dinge. Da wollten wir hier einfach nicht aufgeben. Insgesamt brachte uns diese Krankheit damit noch näher zusammen.
Und auch jetzt, nach ihrem Tod, ist sie mir noch immer nah und manchmal spreche ich für sie, da sie nicht mehr reden kann.
Ich hatte mal gesagt, dass meine Frau ihr Lachen verloren hat. Ich bewunderte und ich liebte ihre kindliche, herzlich, überschwänglich, ansteckende Art zu lachen. Sie hat nicht ihr Lächeln verloren. Noch im Sterbebett lachte sie. Eigentlich hatte ich mein Lachen verloren.
Meine Aufgabe, bei all der Trauerbewältigung, ist mein Lachen zurück zu gewinnen.“
SELBSTHILFE-FORUM, Magazin für Dortmund, Ausgabe Winter/Frühjahr 2021/22
Info: Selbsthilfe in Dortmund
Verschiedene Selbsthilfegruppen bietet der Paritätische Wohlfahrtsverband, z.B. hier in Dortmund.
Fotos: pixabay
Dieser Beitrag wurde 8973 mal näher angesehen!