Totenkopfsymbole – sie verstecken das verletzliche Wesen

Totenköpfe als Symbol auf T-Shirts oder Ringen – warum trägt man dies? Um andere zu schocken oder um zu zeigen, dass man selbst den Tod nicht fürchtet? Wir sprachen darüber mit Caroline Friese, Jahrgang 1969, die sehr gerne Halloween feiert, denn ihr Markenzeichen sind Totenköpfe – am Haargummi, auf dem Strandlaken, auf dem Ohrring.

Frage: Kannst du dich daran erinnern, wann du das erste Mal mit dem Totenkopf-Symbol verwendet hast?

Caroline Friese: Das war zu Gymnasialzeiten, da bewunderte ich eine Mitschülerin, die immer so cool wirkte und mit ihr wollte ich befreundet sein – und in ihrem Outfit gab es einige Totenköpfe, auf den Chucks oder auf einem Beutel oder auf einem T-Shirt. Das hat Wirkung gehabt auf mich. Selbst verwendet habe ich es viel viel später, so ab Mitte 30.

Totenköpfchen am Haargummi

Frage: Was für eine denn?

Caroline Friese: Es demonstrierte, aus der Reihe zu tanzen, aufzufallen, sich keinen Konventionen zu unterwerfen also vor allem cool zu sein. Ich glaube schon, dass ich ganz viel Zeit in meinem Leben damit verbracht habe, cool sein zu wollen.

Frage: Und cool ist es, sich mit einem Symbol zu schmücken, bei dem andere leicht erschauern und sich abwenden? Andere schlagen drei Kreuze und ich bin mutig genug, dieses Zeichen vor mir herzutragen?

Caroline Friese: Ja vielleicht. Dann gab es ja Don Ed Hardy, den Tattookünstler und Designer, der Totenköpfe schick gemacht hat, indem er sie mit Glitzer für die breite Masse auf Stoffe drucken ließ. Früher gab es die Totenköpfe nur in bestimmten Szenen. Dann gab es plötzlich überall Totenköpfe, auf Samtjäckchen und so.

Frage: Und war das doof für dich?

Totenköpfchen als Ohrring

Caroline Friese: Ja, das hat es entwertet, denn es war ja kein Ausdruck mehr dafür, dagegen zu sein.

Frage: Wogegen warst du denn?

Caroline Friese: Gegen Stöcke im Arsch, gegen Leute, die der Masse folgen, die sich einem Design unterwerfen, sich einer Mode oder einer Gruppe von Menschen unterwerfen. Ich wollte dies früher selbst immer – unbedingt wollte ich dazugehören. Ich war sauer, dass ich von meinen Eltern nicht die Bennetton-Pullis und die Adidas-Schuhe bekommen habe. Meine Mutter sagte damals immer, ich müsste meinen eigenen Stil entwickeln, was ich dann auch tat.

Frage: Weil deine Mutter das wollte?

Tod und Leben hängen eng zusammen – Bild in Caroline Frieses Wohnung.

Caroline Friese: Weil ich keine andere Wahl hatte. Ich weiß nicht, wie es gelaufen wäre, wenn es anders gewesen wäre, wenn ich beispielsweise einen Haufen Taschengeld gehabt und mir diese Markenklamotten hätte kaufen können. Dann hätte ich das getragen, hätte genauso ausgesehen wie die anderen, hätte mich zugehörig gefühlt. Und aus dem unbedingten Dazu-Gehören-Wollen und nach den ersten Erfahrungen mit Freundinnen, die sich wegdrehen und einem das Gefühl gaben, man gehört eben nicht dazu, ist bei mir dann das Abgrenzen-Wollen entstanden. In den 80ern war es dann tatsächlich erst die Gothic-Szene, später dann eher die Rock-Szene.

Ende 20 bis Mitte 30 hatte ich dann nochmal eine Phase und habe es mit dem optischen Untertauchen in der breiten Masse versucht und mich klein und unauffällig gemacht. Was dazu geführt hat, dass ich anfing, an Panikattacken zu leiden. Und nachdem ich diese Zeit überwunden hatte, habe ich dann langsam angefangen, mich innerlich aber eben auch klamottentechnisch von der Masse zu entfernen und die Totenköpfe mehr und mehr in Klamotten, Accessoires und Stehrümchen in der Wohnung „zur Schau zu stellen“.

Strand von Zahora: Wenn sie ihr Badetuch ausgebreitet hat, ist Caroline hier Zuhause.

Frage: Wofür steht der Totenkopf denn in der Rockabilly-Szene?

Caroline Friese: Sex, Drugs und Rock`n Roll… das geht eben auch alles in die Richtung „Carpe diem“, nutze den Tag, lebe im Moment.

Frage: Die young, stay pretty – kenne ich aus der Punkszene.

Caroline Friese: Ja, es geht letztlich alles in die gleiche Richtung: Lebe dein Leben heute, der Tod kommt früh genug und lebe dich aus.

Frage: Steht man damit nicht auch ein bisschen oben drüber, so als wenn einem der Tod nichts anhaben kann?

Caroline Friese: Nein.

Frage: Es wirkt aber manchmal so, besonders bei den Todessymbolen, die ganz exzessiv in der Heavy Metal Szene zur Schau getragen werden.

Caroline Friese: Ich werde das ja oft gefragt, und ich trage ja auch Kleider und bin so gar nicht der böse Punk oder der böse Rocker. Und tatsächlich habe ich Angst vor dem Tod und laufe vor dem Thema auch weg, ich will mich damit gar nicht befassen. Ich wünsche mir den Tod nicht herbei und ich stehe auch nicht drüber. Sobald mein Körper irgendwelche Signale sendet, dass etwas nicht in Ordnung ist, bin ich gleich in Alarmstimmung.

Frage: Okay, schauen wir mal auf die sogenannten „bösen“ Punks oder Rocker, die die Todessymbole offensiv vor sich hertragen. Was genau ist daran das Böse – dass man auf das Leben pfeift?

Caroline Friese: Ja, da ist es vielleicht manchmal eher eine Scheißegal-Haltung aufs Leben. Ein lebensbejahendes Verhalten wäre ja, dass man gesund lebt, sich bewegt, nicht raucht, nicht zu viel trinkt oder andere Drogen konsumiert, seine Gefühle nicht tot macht, das schwingt schon in manchen Szenen alles mit.

Totenköpfe als Armband

Frage: Aber das bedeutet es ja nicht für dich, oder?

Caroline Friese: Bei mir ist es eine Abgrenzung in dem Sinne, dass ich demonstriere, ich mach das nicht mit, was ihr wollt, ich ordne mich keinen Gruppenregeln unter. Aber ich brauche keine „hübsche Basic“-Kleidung, ich brauche keine „Übergangsjacke“ oder die neuste Kreation von Schmuckherstellern mit Sammelsteinchen o.ä.. Ich brauche natürlich bestimmte Kleidung für den Beruf, das ist mehr eine Verkleidung. Als zweites wollte ich cool sein. Und als drittes würde ich sagen, ich kann mich damit abgrenzen und meine Persönlichkeit dahinter verstecken. Das liebe Wesen und dieser grundehrliche Mensch, der ich bin, der verletzlich ist, der auch oft verletzt worden ist, kann sich damit vielleicht ein bisschen ausgrenzen und muss sich nicht gleich zeigen, weil die Symbole ihn vielleicht härter scheinen lassen. Das macht es aber schwierig, wenn man jemanden kennenlernt, denn der andere sieht ja zunächst deine coole Fassade.

Frage: Wie reagieren denn die Menschen im Allgemeinen auf die Totenköpfe?

Caroline Friese: In manchen Gruppen ist es extrem, manche fahren darauf ab und machen die Totenköpfe dauernd zum Thema. Für manche Menschen ist das etwas Ungewohntes. Ich erlebe aber auch ablehnende Haltungen.

Frage: Trägst du die Ringe und Haarklammern auch bei der Arbeit?

Caroline Friese: Ja, trage ich. Ich selbst war einmal der Meinung, ich müsste dies nun einstellen, als ich in den Außendienst wechselte, zum Kunden. Ich wollte natürlich ernst genommen werden. Da war ich völlig überrascht von unserem Geschäftsführer, der sagte: „Nö, wieso? Das ist doch dein Markenzeichen!“ Trotzdem ist Kleidung noch immer ein Ausdruck von Respekt und Stellung. Das respektiere ich natürlich, so wie man nicht halbnackt eine Kirche besucht. Ich bin auch für die Auszubildenden zuständig und da ist es so, dass ich in den ersten Gesprächen, bei den Bewerbungen beispielsweise, sehr steril und ernst auftrete, um zunächst eine Respektebene zu schaffen und danach müssen sie dann auch mit dem St. Pauli-Pulli klarkommen oder den Totenkopfringen. Weil sie erst die strenge Ebene sehen und danach erst den Kumpel, funktioniert das.

Als Bassspielerin ließ sich Caroline den Bassschlüssel tätowieren und kombinierte ihn mit… na klar!

Frage: Ausgehend davon, dass du deine weiche Seite vielleicht ganz gerne versteckst mit den Totenköpfen – wie ist es denn, wenn du jemanden triffst, der selbst Totenköpfe trägt – erkennst du dann einen Seelenverwandten?

Caroline Friese: Das muss noch nicht einmal ein Totenkopf sein. Ich erkenne den Seelenverwandten auch in Außenseitern, nicht der Mode folgenden Menschen, in Leuten, die rockig daherkommen und cool wirken. Ich mag die Tunnel-Ohrringe nicht, aber auch dies wäre ein Erkennungszeichen. Das nicht Angepasste ist es. Grundsätzlich erkenne ich aber  natürlich einen „Seelenverwandten“ erst in Gesprächen und an der inneren Einstellung und nicht an der Kleidung.

Frage: Die Totenköpfe sind für dich aber schon so etwas wie ein Erkennungszeichen, wenn du beispielsweise am Strand erst einmal dein Strandlaken ausbreitest, auf dem ein riesiger Totenkopf zu sehen ist…

Caroline Friese: Ja, das Badetuch ist ein tolles Geschenk einer Freundin – wenn ich das ausbreite, bin ich quasi Zuhause.

Frage: Sehr speziell ist ja auch dein Tattoo – ein Bass-Schlüssel, in den ein Totenkopf eingearbeitet ist.

Caroline Friese: Ich spiele ja den Bass in einem Steeldrum-Orchester und so bot es sich an, beide Motive zu kombinieren – ich hatte die Vorlage auf einem T-Shirt gesehen.

Frage: Wer einen Totenkopf sieht, oder eine Leiche, zuckt ja meist zurück. Wenn man den Totenkopf quasi direkt vor sich herträgt – soll dies vielleicht ausdrücken, dass den Träger gar nichts schocken kann?

Caroline Friese: Die Heavy Metal Männer, die ich kenne, sind alles Seelchen. Die sind sehr lieb, darunter sind ganz viele Nerds, die viel Zuhause sind, sich kaum raus trauen, nur auf den Konzerten dann ab und zu in der härteren Gangart einen raushauen, aber die im Grunde froh sind, wenn sie ein Weibchen und stabiles Umfeld haben – an denen ist nichts hart! Auch die, die ganz harte Musik machen, das sind meist ganz liebe Menschen, die zum Teil sogar soziale Schwächen und Berührungsangst haben. Da werden diese Symbole dann tatsächlich zu einem Erkennungszeichen und Zugehörigkeitsgefühl.

Frage: Aber warum tragen sie dann das Harte nach außen? Wenn sie so lieb sind, könnten sie ja auch ein Peace-Zeichen tragen.

Caroline Friese: Ja, aber dann können Leute kommen und mir weh tun. Das ist eben dies: Ich bin eigentlich ganz lieb und will aber dies nicht nach vorne stellen. Das Peace-Zeichen wäre ja eher ein politisches Statement.

Frage: Also ist es quasi ein Gegenentwurf zum Herzchensein. Vielleicht betrifft die Zurschaustellung des Gegenteils ja nicht nur die Heavy Metal Fans?

Caroline Friese: Eben! Es gibt ja auch Menschen in weißer Spitze, immer korrekt und rein gekleidet, die in Wirklichkeit die reinen Egomanen sind. Diese Menschen habe ich zuhauf kennengelernt. Das ist wie eine umgekehrte Fassade. Das ist im Grunde genau das, wogegen sich das Totenkopfsymbol bei mir auflehnt, gegen Menschen, die äußerlich extrem angepasst sind, sich immer in der aktuellen Mode auskennen, also demonstrieren „ich bin vorne“, aber die in Wirklichkeit gar nichts Persönliches zu bieten haben, sondern im Kern eher egoistische Typen sind und andere Menschen eben nur aufgrund „falschen“ Kleidung ausgrenzen und verurteilen, ohne auch nur ein Wort mit ihnen gesprochen zu haben. Bei Metalern habe ich noch nie erlebt, dass da jemand nicht hilfsbereit ist. Na klar, haben die auch einen Knall und sind teilweise drogenversumpft und nicht mehr zurechnungsfähig, aber die findest du doch genauso in der hippen Techno-Szene. Gerade vor kurzem habe ich jemanden kennengelernt, der äußerlich sehr hart wirkt, aber ausgesprochen liebe Nachrichten verschickt und aufgrund einer schlimmen Erfahrung kaum noch vertrauen kann.

Frage: Also alles ganz liebe Menschen?

Caroline Friese: Tja, ich gehöre tatsächlich zu der naiven Sorte Mensch, die an das Gute in jedem Menschen glaubt und versucht, möglichst wenig zu werten und Menschen in Schubladen zu stecken. Jeder hat seine Geschichte und seine Erfahrungen, die ihn zu dem machen, der er ist. Vielleicht engagiere ich mich daher häufig für Randgruppen. Aber es gibt eben nicht nur liebe Menschen – egal welche Kleidung sie tragen oder welche Musik sie gerne hören.

Das Gespräch führte Beate Schwedler am Strand von Zahora.

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