Mit Leichtigkeit an Alter und Sterblicheit

Ich habe „Grace und Frankie“ gesehen, eine US-amerikanische Comedy-Fernsehserie Serie bei Netflix: 7 Staffeln, 94 Folgen! Nun sind weder US-Serien noch Comedy mein Ding und ich hätte mir diese Serie niemals angesehen, wenn ich nicht einen Zeitungsartikel darüber gelesen hätte. Der Autorin dieses Artikels ging es offenbar ähnlich wie mir: es war ihr geradezu peinlich, diese Serie gesehen zu haben und auch noch davon berührt gewesen zu sein. Berührt davon, dass zwei alte Frauen im Mittelpunkt einer solchen Serie stehen und dass fast alles, was im Alter auf einen zukommt, angesprochen und dabei das hohe Lied der Freundschaft gesungen wird.

Die Ehemänner von Grace und Frankie führen gemeinsam eine Rechtsanwaltskanzlei und eröffnen eines Tages ihren Frauen, dass sie nicht nur Kollegen seien, sondern seit 20 Jahren auch ein Paar. Nun wollen sie endlich dazu stehen, den Rest ihres Lebens miteinander verbringen und auch heiraten. Gekränkt ziehen sich beide Frauen zurück in das gemeinsame Strandhaus: unabhängig voneinander, aber sie können der anderen das Recht schlecht streitig machen. Bis dahin waren sie sich nämlich eher aus dem Weg gegangen, sind sie doch zu verschieden.

Grace (gespielt von Jane Fonda) tritt taff, kühl und elegant auf. Frankie (Lily Tomlin) ist dagegen immer in wallende Gewänder gehüllt und mit überdimensionalem Schmuck behängt, esoterisch angehaucht und hippiemäßig. Nun sind sie in der gleichen Situation, kommen nicht umhin sich zu begegnen, einander zuzuhören und schließlich sich gegenseitig zu trösten und zu helfen.

Die Probleme des Alters lassen nicht auf sich warten – nur Altersarmut kommt nicht vor. Aber es gibt eine Knieoperation, arthritische Finger, der Einsatz eines Hörgerätes wird hinausgezögert, Frankie wird tüdelig und vergesslich, Grace kommt vom Toilettensitz nicht mehr hoch, die Kinder werden in ihrer Sorge um ihre Mums übergriffig und die sind tatsächlich manchmal starrsinnig. Auch wenn in der Serie natürlich vieles verzerrt und übertrieben dargestellt wird und mit einem Holzhammerhumor daherkommt, trifft das kaum auf die Altersprobleme zu. Da wird der Humor plötzlich fein und liebevoll, – und man erkennt sich oder doch andere wieder – je nach Alter!

Einmal kriegt Frankie einen Hexenschuss und geht zu Boden. Grace will ihr aufhelfen, bekommt dabei selber einen Hexenschuss und liegt ebenfalls am Boden. Es dauert, bis sich eine zum Telefon geschoben und die Exehemänner angerufen hat. Die kommen tatsächlich eilends, müssen sich aber auch absprechen, wie sie zupacken sollen, denn der eine hat Probleme an der linken Schulter, der andere an der rechten.
Drei Männer auf dem Golfplatz machen sich gegenseitig Mut:“… schließlich haben wir drei gesunde Knie!“

Frankie kämpft dafür, dass eine Ampelphase verlängert wird, weil die Ampel immer schon auf rot springt, bevor sie mit einer gehbehinderten Freundin auch nur die Mitte der Straße erreicht hat. Tatsächlich steht tatsächlich eines Tages ein Beamter mit Stoppuhr an der Ampel, aber wie das Leben so spielt, kommt zuerst eine Gruppe von Joggern und dann auch nur junge Leute, die während der vorgegebenen Zeit locker über die Straße kommen. Frankie ruft ihre Angehörigen an und animiert sie zu helfen. Ihr Exehemann kommt mit einem großen Hund und geht sehr langsam los, aber plötzlich zerrt der Hund an der Leine und der Exehemann muss wider Willen rennen. Aber Grace rettet die Situation, in ihrem rosanen Hosenanzug und mit so hochhackigen Pumps, wie ich sie keiner Frau (über 80!) empfehlen würde, schreitet sie aufreizend langsam und würdevoll nach rechts und links grüßend über den Zebrastreifen. Der Beamte seufzt und gibt 3 Sekunden zu!

Gar nicht witzig, sondern geradezu gruselig fand ich die Szene, in der gezeigt wurde, wie die beiden sich möglicherweise entwickelt hätten, wären sie nicht ein Korrektiv der anderen geworden. Sie bleiben so verschieden wie sie waren und das führt auch immer mal wieder zu Kollisionen, aber dennoch versucht danach die eine, die Versäumnisse und Fehler der anderen auszubügeln oder wenigstens mitzutragen.

Dennoch kommt es immer wieder zu partiellen und zeitweiligen Trennungen, denn weder Grace noch Frankie haben der Männerwelt abgeschworen und es finden sich tatsächlich immer wieder Partner. Und auch Sex ist noch ein großes Thema, um nicht zu sagen übergroß.
Als Frankie alleine im Strandhaus leben muss, depressiv wird und den Haushalt verkommen lässt, bekommt sie einen professionellen Coach geschickt. Frankie lässt sich darauf ein und hat das Gefühl, sich im Laufe des Tages mit der Frau angefreundet zu haben. Sie lädt sie nach getaner Arbeit zu einem Glas Wein ein und will ihr persönliche Fragen stellen. Aber plötzlich klingelt deren Uhr, sie springt auf, sagt, sie habe nun Feierabend, sei genau bis dahin bezahlt worden und verabschiedet sich von Frankie, indem sie ihren Nachnamen verdreht. Sie hat also keinerlei persönliches Interesse und Frankie ist auf ihre professionelle Freundlichkeit reingefallen.

Auch der Tod und Sterbehilfe sind Themen, die nicht ausgespart, sondern von verschiedenen Seiten aus betrachtet werden. Und als Frankie sich selbst dem Tod nahe fühlt, weil ihr eine Wahrsagerin ihren genauen Todestag vorhersagt, gerät sie plötzlich in Panik. Sie hat das Gefühl, im Leben nicht genug geleistet zu haben, nichts hinterlassen zu können. Und sie kommt auf die irrsinnigsten Ideen, wenigstens im Guinnessbuch der Rekorde Spuren zu hinterlassen.

Und dann werden Grace und Frankie tatsächlich gemeinsan durch einen Stromschlag ins Jenseits katapultiert. Da sitzen sie im Vorraum des Himmels auf einer Bank und Frankie stellt entzückt fest, dass sie ihre Finger wieder rühren und gut hören kann. Aber sie werden wieder zurückgeschickt und als erstes sagt Frankie zu Grace: du musst jetzt wieder lauter reden!
Und man freut sich als Zuschauer, dass die beiden weiterhin lange Strandspaziergänge machen und miteinander reden können.

Text: Jutta Seehafer

 

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