Die Zeit, die man einem Menschen geben will

Über die  Sterbebegleitung im Ambulanten Erwachsenen Hospizdienst Dunkelbunt berichtete Christoph Kluth für „Wir in Dortmund“. Hier der ganze Text:

Er „erdet“ sich. Einmal in der Woche in einem Seniorenheim. Christoph Kluth arbeitet als ehrenamtlicher Sterbebegleiter beim Ambulanten Erwachsenen Hospizdienst Dunkelbunt.

Wenn ein Eiswürfel langsam in der Handfläche schmilzt, tut es weh. „Dann muss man eigentlich gar nichts machen und einfach gucken, wie die Menschen mit Schmerz umgehen“, sagt Beate Schwedler, Leiterin des Hospizdienstes. Während eine Person anfängt zu plappern oder den Eiswürfel schnell von einer Hand in die andere wirft, ist da „jemand anders, der macht keinen Pieps“. Diese Erfahrung hat Schwedler im Rahmen der Seminare gemacht, über die der Hospizdienst Menschen zur ehrenamtlichen Sterbebegleitung ausbildet – und darum geht es, zu verstehen, dass es „sehr unterschiedliche Ausdrucksformen“ von Schmerz gibt, und einen Umgang damit zu finden.

„Das hat mich nicht aus der Bahn geworfen“

Der recht frischgebackene Sterbebegleiter Kluth hat „da null Berührungsängste mit“, wie er feststellte, als immer deutlicher wurde, dass einer seiner engsten Freunde nicht mehr lange leben würde. „Klar war das emotional, aber das hat mich nicht aus der Bahn geworfen.“ Seit Kluth sich intensiver mit dem Sterben befasst, stellt er „immer wieder fest, dass das Thema Tod mich nicht so abschreckt wie andere Menschen“ – und dass diese Wahrnehmung gut zum Forum Dunkelbunt passt. Statt „mit vorgehaltener Hand“ spricht man dort „ganz normal“ über das Sterben.

Hätte man Kluth vor drei Jahren vorgeschlagen, Palliativbegleiter zu werden, hätte er gefragt: „Was soll das? Das ist doch total an den Haaren herbeigezogen!“ Damals war er noch als Schreinermeister tätig. Doch dann wurde er krank, sein Freund Peter starb mit Ende 50 und Kluths Frau las in der Zeitung von der Ausbildung des Forums Dunkelbunt. Und auf einmal passte alles zusammen.

Meistens geht es um den BVB

Von März bis Juni 2021 setzte sich Kluth gezielt mit sich selbst, mit dem Schmerz der anderen und mit dem Sterben auseinander, bevor er im August seine erste und bisher einzige Sterbebegleitung aufnahm. Seine Leidenschaft für den BVB war es, die ihn mit einem Herrn zusammenbrachte, dessen Bett im Seniorenheim rundum schwarz-gelb geschmückt ist. Seitdem besucht Kluth den demenziellen Mann einmal in der Woche für eine Stunde. An guten Tagen antwortet dieser per Händedruck mit ja und nein oder versucht sogar über Laute zu kommunizieren, an anderen reagiert er gar nicht.

In der Regel geht es bei Kluths Besuchen um Fußball: „Manchmal nehme ich ein Tablet mit und lese ihm aus der Zeitung vor“. Dabei sieht er das Personal „von Zimmer zu Zimmer huschen“, immer unter Druck, niemals bleibt „die Zeit, die man einem Menschen geben will“. Daher sieht Kluth sich nicht nur als Entlastung für den Sterbenden, sondern auch für die Mitarbeitenden des Heims.

Palliativbegleitung für drei Stunden in der Woche

Ein halbes Jahr mit einem Menschen zu verbringen, ist jedoch nicht allen Sterbebegleitenden vergönnt. So erzählt Kluth von einer Kollegin, die sich für den Urlaub verabschiedete und den Menschen, den sie begleitete, nicht wiedersah. Trotz der Gelassenheit, die er an den Tag legt, hat Kluth auch Respekt vor dem Tag, an dem es zu Ende geht, wie er erzählt: „Diese Erfahrung, dass meine Begleitperson stirbt, habe ich ja noch gar nicht gemacht.“

In Zukunft möchte Kluth die Palliativbegleitung auf die eigentlich vorgesehene Zeit von drei Stunden in der Woche aufstocken, indem er zum Beispiel eine weitere Person besucht. Momentan „erdet“ er sich für eine Stunde in der Woche bei seinen Besuchen im Seniorenheim. Dann „relativieren sich zumindest in meinem Fall diverse Sachen“. Was ihn zuvor niederdrückt, verliert seine Schärfe in Anbetracht des Sterbenden.

„Die Zeit, die man einem Menschen geben will“Die nächste Ausbildung in der ehrenamtlichen Palliativbegleitung startet am 17. Februar. Interessierte können sich telefonisch unter 0231-53300881 an Beate Schwedler wenden, ebenso wie Familien, die Interesse an einer palliativen Begleitung haben.

Text und Bilder: Pia Soldan / WIR IN DORTMUND

 

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