„Death Cleaning“ – Muss man aufräumen vorm Ableben, Charlotte Schäfer?

„Death Cleaning“ ist der neuste Begriff aus Schweden – es bedeutet, dass man alles so ordnet, dass man den Angehörigen beim Abtritt aus dem Leben kein Chaos hinterlässt. Wir wollten wissen, ob es Sinn macht, darüber nachzudenken und zwar von einer, die es wissen könnte: Charlotte Schäfer, die 2006 in Essen die „Schöne Ordnung“ gründete, einen professionellen Aufräumservice.

„Döstädning“, eine Kombination aus den schwedischen Worten für „sterben“ und „Sauberkeit“ ist eine Philosophie aus Schweden. Margareta Magnusson hat den Begriff geprägt und ein Buch darüber geschrieben, das nun auch ins Deutsche übersetzt vom S. Fischer Verlag verlegt ist. Wir befragten hierzu die Essener Aufräumexpertin Charlotte Schäfer:

Charlotte Schäfer gründete „Schöne Ordnung“, den professionellen Aufräumservice in Essen. (Foto: Schäfer)

Forum Dunkelbunt: Aus Schweden erreicht uns eine neue Idee – von einem Trend möchte ich nicht sprechen – , sie nennt sich „Death Cleaning“ und meint, dass man seine Habseligkeiten soweit ausmisten und geordnet haben sollte, dass man jederzeit sterben kann, ohne die Hinterbliebenen damit zu belasten. Was hältst du davon?

Charlotte Schäfer: Ich stolpere über den Begriff – das klingt fast so wie „Tatortreiniger“. Darüber nachzudenken, mit wievielen Sachen und mit welchen Sachen man lebt, das ist gut. Aber man könnte es ja auch anders nennen: das Leben aufräumen.

Forum Dunkelbunt: Das klingt deutlich positiver. Kennst du Menschen, die kurz vor ihrem Tod noch einmal das Leben aufräumen wollen?

Charlotte Schäfer: Einmal hatte ich tatsächlich so eine Kundin, eine Journalistin, die mit Mitte 40 an Krebs erkrankte und befürchtete, sterben zu müssen – was zum Glück nicht geschah. Aber sie hatte eben die Befürchtung und wollte unbedingt Ordnung in ihre Papiere bringen – das war ihre Schwachstelle und es herrschte ziemliches Chaos in ihren Aktenordnern. Das wollte sie niemandem zumuten nach ihrem Tod.

Forum Dunkelbunt: Margareta Magnusson, die „Erfinderin“ des Death Cleaning, empfiehlt, ab dem 65. Lebensalter mit dem Death Cleaning zu beginnen – obwohl sich natürlich auch Jüngere mit dieser Methode ans Entrümpeln wagen können.

Charlotte Schäfer: Margarete Magnusson hat natürlich Recht, man sollte frühzeitig daran denken, den eigenen Besitz danach durchzusehen, was man schon frühzeitig entrümpeln kann. Für die erwachsenen Kinder, deren Eltern gestorben sind, ist es ja sowieso gerade in dieser Trauerzeit schwer. Da ist man sowieso schon angeschossen und soll dann auch noch entscheiden, Sachen wegzuwerfen oder zu behalten… das ist nicht einfach. Manchmal packt man dann einfach alles in Kisten und nimmt die mit nach Hause. Und nach zwei Jahren öffnet man die Kisten und denkt: Wieso habe ich denn das Putzzeug mitgenommen und Klopapier?

Forum Dunkelbunt: Ob es lohnt, Dinge aufzuheben, ist ja manchmal schwer zu entscheiden…

Charlotte Schäfer: „Sich mit der eigenen Endlichkeit zu beschäftigen, fällt vielen schwer.“

Charlotte Schäfer: Ja und genau darin liegt das Problem. Diese Entscheidung muss ich selbst treffen. Und oftmals schiebt man diese Entscheidung vor sich her und so sammeln sich eben die Dinge an, die man vielleicht meint, später noch zu gebrauchen. Dieses Problem haben manche Menschen und so sammelt sich bei ihnen immer mehr und mehr an.

Forum Dunkelbunt: Manche führen ein ganz gut sortiertes Leben, aber sollten vielleicht ihre Sachen durchschauen, um beispielsweise das Erbe zu regeln.

Charlotte Schäfer: Ja, das wäre gut – und auch dann kann man selbst entscheiden, wer was erben soll und kann damit Klarheit schaffen. Aber es ist auch legitim, das nicht zu regeln. Manche Leute finden, dass es nicht ihr Problem ist, wenn sich die Kinder hinterher um das Erbe streiten – das müssten eben die Kinder selbst lösen.

Forum Dunkelbunt: Die meisten Menschen sehen es wahrscheinlich als sinnvoll an, diese letzten Dinge selbst in die Hand zu nehmen.

Charlotte Schäfer: Theoretisch ja, sinnvoll ist das, aber es bedeutet auch, dass man sich mit der eigenen Endlichkeit befassen muss. Nicht unbedingt leicht! Ich kenne ein Ehepaar, das mit 74 Jahren zu dem Haus eine Eigentumswohnung kaufte und meinte „da wollen wir einziehen, wenn wir mal alt sind“. Altsein war etwas, das für sie deutlich jenseits von Mitte 70 liegt.

Forum Dunkelbunt: Und aus dem gleichen Grund möchten sicher auch Viele nicht darüber nachdenken, wie sie es angehen, wenn sie sich einmal verkleinern müssen, weil sie ins Alten- oder Pflegeheim umziehen müssen?

Charlotte Schäfer: So ist es. Viele alte Menschen gehen wie selbstverständlich davon aus, dass sie so lange wie möglich in ihrer vertrauten Umgebung bleiben. Oft muss dann erst etwas passieren – ein Unfall, eine Krankheit – und dann steht man plötzlich vor der Erkenntnis, dass der Haushalt nicht mehr allein zu bewältigen ist. Dann werden manchmal Adhoc-Entscheidungen getroffen, wie zum Beispiel „ich ziehe jetzt zu meiner Tochter nach Chemnitz“, die alle vor große Schwierigkeiten stellen.

Wenn man erst einmal im Krankenhaus liegt und von dort in ein Pflegeheim kommt, dann wird letztlich von außen bestimmt, was man noch mitnehmen darf. Wenn jemand beispielsweise ein Sozialfall ist, und die Wohnung vom Sozialamt bezahlt wird, dann kann es passieren, dass man in allerkürzester Zeit klären muss, was mit soll – in so einem Moment fällt es ganz schwer, richtig zu entscheiden. Deshalb plädiere ich dafür, vorher darüber nachzudenken, was einem wirklich wichtig ist und wovon man sich keinesfalls trennen will. Denn die meisten Menschen sind kreuzunglücklich, wenn sie solche wesentlichen Dinge nicht mehr selbst entscheiden dürfen. Und wenn dann kein Angehöriger da ist, der sich einsetzen kann und sensibel damit umgeht, ist es schon wichtig, einiges festgelegt zu haben.

Forum Dunkelbunt: Wie hilft die „Schöne Ordnung“ hierbei?

Charlotte Schäfer: Wir versuchen, den Blick auf die Lösungen zu werfen. Bei einer mehrstündigen Beratung vor Ort analysieren wir die Sachlage und erarbeiten gemeinsam Lösungsvorschläge. Im Anschluss entwickle ich auf Grundlage des Gesehenen und Gehörten weitere Vorschläge und die Kunden erhalten von mir eine schriftliche Zusammenfassung der Ergebnisse mit konkreten Tipps und Ideen.

Forum Dunkelbunt: Kann die „Schöne Ordnung“ etwas vom Trennungsschmerz mildern, denn an manchen Dingen hängen ja Erinnerungen.

Charlotte Schäfer: Es ist ganz wichtig, herauszufinden, welche Gegenstände wirklich für das persönliche Leben von großer Bedeutung sind. Das kann eine Urkunde sein oder ein Teppich, auf dem alle Kinder der Familie groß geworden sind, aber der jetzt alt, kaputt und unansehnlich geworden ist. Die Urkunde lässt sich leicht mitnehmen. Und von dem Teppich könnte man zum Beispiel ein Stückchen herausschneiden und eingerahmt an die Wand hängen – das wäre dann eine Möglichkeit, das emotional besetzte Stück bei sich zu behalten, ohne eine Teppichrolle verwalten zu müssen.

Forum Dunkelbunt: Ändern sich die Wichtigkeiten im Alter?

Charlotte Schäfer: Für viele Menschen ja. Einige Leute, die ihr ganzes Leben lang viel gelesen haben, finden das Lesen im Alter plötzlich gar nicht mehr wichtig. Oder manche Sammlungen haben auf einmal keinen Wert mehr. Manches ist vielleicht auch Erinnerungsballast. Manches wiederum gehört zur Biographie und es wäre quasi identitätsvernichtend, es einfach wegzuschmeißen. Was im Einzelnen dazu gehört und emotional aufgeladen ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Manchmal sagt die Frau beim Umzug ins Altenheim: „Das kann ja weg!“, aber der Mann muss seine Miniautos unbedingt behalten – das ist eben für jeden Menschen unterschiedlich.

Das Interview führte Beate Schwedler

Weitere Infos:

Schöne Ordnung, der Aufräumservice aus Essen

Margareta Magnusson
Frau Magnussons Kunst, die letzten Dinge des Lebens zu ordnen
160 Seiten, gebunden
Hardcover
S. Fischer Verlag
Originalsprache: Englisch
Übersetzt von: Rita Seuß
Preis € (D) 18,00 | € (A) 18,50
ISBN: 978-3-10-397323-5
Preis e-book: € (D) 18,00

 

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