„Lieber ein paar Floskeln als gar nichts!“

Wie steht man jemandem bei, der einen geliebten Menschen verloren hat? Welche Formulierungen trösten in einem Kondolenzbrief – und welche sollte man vermeiden? Die Trauerbegleiterin Chris Paul in einem Interview mit dem Magazin der Süddeutschen Zeitung über den
bestmöglichen Umgang mit Trauer und Verlust. Das Interview führte Johannes Waechter.

SZ-Magazin: Viele Menschen fühlen sich unsicher, wenn es um das Kondolieren geht, und schrecken vielleicht sogar davor
zurück. Warum sollte man es trotzdem tun?
Chris Paul: Unsere Gesellschaft ist inzwischen eher unbeholfen im Umgang mit Tod und Trauer, und es ist ein bisschen in Vergessenheit
geraten, dass eigentlich jeder Mensch, der sich in einer Krise befindet, davon profitiert, wenn andere ihm beistehen. Viele hören
von einem Trauerfall und denken, sie müssten nun irgendein formal perfektes Schreiben abfassen. Aber das stimmt gar nicht. Beim
Kondolieren geht es vor allem um Respekt. Die wesentliche Botschaft lautet: Ich habe mitbekommen, dass in deinem Leben gerade etwas
Schlimmes passiert. Und ich möchte dir mitteilen, dass mir das nicht egal ist. Es geht also nicht darum, das Richtige zu sagen. Es geht darum, überhaupt etwas zu sagen.

Schon das hilft Trauernden?

Ja, auf mehreren Ebenen. Als trauernder Mensch fragt man sich zum Beispiel, wer überhaupt von dem Todesfall gehört hat. Den engeren
Kreis hat man selbst informiert, aber wer hat alles die Todesanzeige gesehen? Für viele Trauernde ist es beruhigend, einfach nur zu hören,
wer alles Bescheid weiß und demzufolge nicht mehr in Kenntnis gesetzt werden muss, wenn man sich in Zukunft mal zufällig
begegnen sollte. Vor allem ist es für Trauernde aber eine Wohltat zu erfahren, dass sie nicht allein sind auf der Welt, sondern dass es
draußen Menschen gibt, vielleicht sogar recht viele, die den Verstorbenen und die Hinterbliebenen weiter im Herzen tragen.

Es hängt davon ab, wie gut man den Verstorbenen kannte. Wenn es um jemand entfernt Bekannten geht, reicht eine Karte, mit der man
signalisiert, dass man an die Trauernden denkt, und sein Mitgefühl zum Ausdruck bringt, mit einfachen Formulierungen wie: Es tut mir
sehr leid oder Ich kann mir vorstellen, dass alles gerade sehr schmerzhaft ist für dich beziehungsweise Sie. Es spricht nichts dagegen, dafür
vorgedruckte Karten aus dem Schreibwarengeschäft zu nehmen. Oft enthalten sie Formulierungsvorschläge, die man verwenden kann,
wenn man das Gefühl hat, selbst nicht die richtigen Worte zu finden. Das sind dann nicht die Karten, die die Hinterbliebenen Jahre später
wieder zur Hand nehmen, aber sie sind auch wichtig und definitiv besser als gar nichts.

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