„Zurück zur Natur!“ Friedhofs-Trends in Dortmund

Etliche Menschen suchen andere Lösungen als den Standard-Friedhof. Viele haben keine Lust mehr auf die typische Wechselbepflanzung – im Sommer Stiefmütterchen und im Winter Erika. Sie bevorzugen etwas Natürliches, einen Wald oder eine Sommerwiese. Der Trend heißt „Zurück in die Natur“. Ein Grund hierfür ist einfach, dass viele Menschen sich nicht mehr selbst um die Gräber kümmern können. Über die neusten Friedhofstrends in Dortmund sprach Uli Heynen, Geschäftsleiter Technik der Dortmunder Friedhöfe, mit Dunkelbunt.

Uli Heynen (Betriebsleiter der Friedhöfe Dortmund)
Uli Heynen (Betriebsleiter der Friedhöfe Dortmund)

Dunkelbunt: Können oder wollen die Menschen sich nicht mehr um die Gräber kümmern?

Uli Heynen: Das hat nichts mit Wollen zu tun, sie können das einfach nicht mehr. Deshalb bieten wir inzwischen auch bei sämtlichen Grabformen an, dass die Pflege durch uns organisiert wird. Das bedeutet, dass wir die Firmen beauftragen und bezahlen, die die Gräber dann pflegen. Das sind zwar die teureren Grabarten, aber genau diese haben Zuwachs in den letzten Jahren und die klassischen Familiengräber sind rückläufig.

Dunkelbunt: Ist dies auch der Grund dafür, dass viele Menschen keine klassische Sargbestattung mehr wünschen, sondern lieber eine Urnenbeisetzung?

Fahrzeug Übersicht im Büro von Uli Heynen
Fahrzeug Übersicht im Büro von Uli Heynen

Uli Heynen: In Dortmund liegt die Quote der Urnenbeisetzungen in diesem Jahr bei 81 Prozent, das liegt allerdings auch daran, dass hier ein Krematorium in Betrieb ist. Man darf allerdings nicht den Fehler machen, zu glauben, dass eine Urnenbeisetzung erheblich billiger ist – das ist sie nämlich nicht. Es liegt eher daran, dass mehr Menschen eine Verbrennung als sauberere Lösung empfinden. Und – auch ein praktischer Grund – es sind kleinere Grabflächen zu pflegen.

Dunkelbunt: Seit wann gibt es in Dortmund den Trend zur Urnenbestattung?

Uli Heynen: Bereits 1924 erfolgte die erste Einäscherung im Krematorium Dortmund. Seit dem steigen die Fallzahlen kontinuierlich. Es ist erkennbar, dass der Trend zur Verbrennung in katholisch geprägten Gegenden erst später nachzog. Früher durften teilweise auf katholischen Friedhöfe keine Urnen beigesetzt werden, aber diese Zeiten sind längst vorbei. Auch die katholischen Regionen ändern sich.

Die große Platane - künstlerisch verfremdet
Die große Platane auf dem Hauptfriedhof Dortmund – künstlerisch verfremdet

Dunkelbunt: Hat es die Dortmunder Friedhöfe auch in Wallung gebracht, als die Bestattungswälder aufkamen, bei uns hier in Cappenberg, in Herten, am Möhnesee oder in Hagen?

Uli Heynen: Der Unterschied zu uns ist: Dies sind Franchise-Unternehmen auf städtischen Ländereien. Aber ja, als diese Angebote aufkamen, haben wir sofort ein identisches Angebot in Westerfilde geschaffen, auf einem Waldfriedhof in der Nähe von „Tante Amanda“. Dieser Waldfriedhof ist inzwischen sehr gut belegt. Was bei den Bestattungswäldern immer unterschätzt wird: Man kommt meist schlecht dahin. Und dies ist wiederum unser Vorteil, denn die Angehörigen wollen ja doch ab und zu das Grab besuchen.

Die große Platane - als Variation
Die große Platane – als Variation

Wie wichtig dies ist, haben wir in Dortmund erlebt. Wir haben 32 kommunale Friedhöfe und um das Jahr 2000 herum gab es die Idee, alles einzudampfen bis auf 13 Friedhöfe. Teilweise wurde dies sogar schon umgesetzt, es durfte auf einigen Friedhöfen nur noch in vorhandenen Grabstätten beerdigt werden. Zum Glück kam aber dann die Diskussion über die geplanten Friedhofsschließungen auf und es wurde festgestellt, dass dieses Konzept nicht greift, weil es sich gegen den Wunsch der Bevölkerung stellt.

Dunkelbunt: Und daraufhin wurde festgelegt, dass Dortmund das Konzept der Pantoffelfriedhöfe verfolgt, also der schnell erreichbaren Friedhöfe in der Nachbarschaft.

Uli Heynen: Es wurde beschlossen, alle 32 Dortmunder Friedhöfe weiter zu betreiben, allerdings sie nicht zu erweitern. Und das sieht man auch ganz klar, dass beispielsweise unser Hauptfriedhof hier mit 120 Hektar Größe den Leuten einfach zu groß ist. Der Hauptfriedhof Dortmund ist der drittgrößte Friedhof in Deutschland und stirbt jetzt von innen aus. Er darf nicht befahren werden von den normalen Besuchern, das ist für manche älteren Menschen ein Problem und aus Mengede oder ähnlichen Stadtteilen möchte auch keiner hierher anreisen.

Die große Platane - verfremdet
Die große Platane – verfremdet

Dunkelbunt: Da braucht es also kleinere, dezentralere Konzepte?

Uli Heynen: Was gut läuft, sind die in den größeren Stadtteilen liegenden Friedhöfe wie der Ostfriedhof, der Südwestfriedhof, oder die Friedhöfe in Hombruch, Huckarde, Kirchlinde. An einem warmen Sommerabend sitzen dort auf dem Friedhof mehr Menschen als in der örtlichen Fußgängerzone. Viele Leute kennen sich, treffen sich dort… und vielerorts gestalten sich die Friedhöfe ja auch zu Naherholungsgebieten. Viele Parkanlagen wurden inzwischen zu Sportstätten umgebaut und wenn jemand wirklich Ruhe haben will, dann geht er auf dem Friedhof spazieren.

Dunkelbunt: So entstehen gewissermaßen neue Nutzungsmöglichkeiten für die Friedhöfe?

Uli Heynen: Wir müssen natürlich auch aufpassen, dass es nicht kippt. Wir haben gerne Leute auf dem Friedhof, auch Jogger und Radler, solange alles im angemessenen Verhalten liegt. Wir sind sogar froh, wenn ein bisschen Betrieb herrscht, damit ältere Leute keine Angst haben, den Friedhof zu besuchen. Aber es ist auch eine Kunst, eine Gratwanderung, die wir hier beherrschen müssen. Ein Beispiel hierfür ist der Ostfriedhof, der im Volksmund „Ostpark“ heißt. Grundsätzlich sind wir schon tolerant – viel toleranter als früher. Aber natürlich würde es nicht funktionieren, wenn ein Friedhof, der sich noch in der Belegung befindet, z. B. als Grill- oder Sonnenplatz genutzt würde.

Ein anderes Beispiel: Wir haben hier auf dem Hauptfriedhof unsere Seniorenbewegungsgeräte aufgebaut, da treffen sich teilweise auch Turngruppen. Da fragen auch manche, wie man das zulassen kann. Aber die Turngeräte beispielsweise sind wunderbar angenommen worden – wir versuchen, den Friedhof unter die Lebenden zu kriegen. Für Menschen, die nah an Friedhöfen wohnen, waren diese schon immer ihre Erholungsorte – und für die anderen auch.

Aber man muss auch immer aufpassen. Auf kleineren Friedhöfen macht es keinen Sinn, wenn ein Personen im Jogginganzug aktiv sind, während gerade ein Trauerzug vorbeikommt. Und je mehr Bänke man aufstellt, desto mehr Publikum wird angezogen, das man nicht unbedingt haben möchte. Jahrelang haben wir die Unterstände zurückgebaut, die es früher weitaus häufiger auf den Friedhöfen gab – wenn es geregnet hat, trafen sich dann viele dort und haben gefeiert. Daher gibt es kaum noch überdachte Flächen auf den Friedhöfen.

Wir halten ja darüber hinaus auch eine praktische Infrastruktur für die Anwohner bereit – wir haben Wasser, wir haben Müllplätze – das ist ja auch für manche nicht uninteressant.

Dunkelbunt: So kommen dann auch die Kosten für den Friedhof zustande.

Uli Heynen: Ja, natürlich. Müll korrekt zu entsorgen ist ja nicht gerade billig bei uns. Dazu kommt, dass wir die Verkehrssicherheit für 30.000 Bäume und sehr viele Kilometer Wege gewährleisten müssen.

Dunkelbunt: Wenn ich auf Friedhöfen bin, sehe ich viele freie Flächen…

Uli Heynen: Hier auf dem Hauptfriedhof können Sie davon ausgehen, dass jede Wiesenfläche, die sie sehen, belegt ist, denn der Hauptfriedhof ist einmal komplett belegt, teilweise in Zweit- oder Drittbelegung. Aber die Gräber sind eingeebnet und eingesät. Früher gab es die großen Wahlgräber, und mittlerweile gibt es überwiegend die pflegefreien Gräber – die sind von der Fläche her kleiner.

Vor zehn Jahren haben wir ein Friedhofsflächenkonzept aufgestellt. Alle Friedhöfe waren umringt von Flächen, die zur späteren Benutzung vorgehalten wurden. Von allen diesen nicht mehr benötigten Friedhofsflächen haben wir uns getrennt und sie in den städtischen Haushalt zurückgegeben. Wir nutzen die Flächen, die zurzeit nicht benötigt werden, als ökologische Ausgleichsflächen. Der Hauptfriedhof ist ja beispielsweise auch eine große Klimaschneise für Dortmund.

Dunkelbunt: Warum findet man auf den Dortmunder Friedhöfen keine Kolumbarien?

Uli Heynen: Wir haben auf dem Hauptfriedhof unseren Urnenturm. Darüber hinaus weigern wir uns, Urnenwände aufzustellen. Denn damit bestattet man 50 Urnen auf 50 Quadratmetern und die anderen Friedhofsflächen werden nicht belegt. Unserer Meinung nach wählen die Leute die Kolumbarien vor allem deshalb, weil sie pflegefrei sind. Und für die Friedhöfe ist es natürlich auch bequemer, eine Wand hinzustellen – bei fünf Reihen übereinander erhält man einen kompletten Friedhof. In südlichen Ländern sind Kolumbarien wegen des Klimas sinnvoll und praktisch.

Aber wir wollen keine Betonwände aufstellen, die spätestens nach zehn Jahren nicht mehr schön aussehen und manchmal vollgepfropft sind mit Plastikblumen. Wir wollen die Friedhöfe erhalten, wie sie sind: grün. Wir kämpfen darum, dass die Friedhöfe anerkannt werden als städtische Grünanlage – damit wir von dieser Seite auch einen kleinen Zuschuss bekommen. Und ich als Landschaftsarchitekt sehe ja auch eine Chance, eine Grünanlage zu besitzen, ohne dass da noch der Rummel ist einer Tartanbahn, einer Hundewiese oder sonst noch etwas.

Dunkelbunt: Sind Ihre neuen Grab-Konzepte denn in erster Linie landschaftsarchitektonisch inspiriert, so wie etwa eine Obstwiese oder ein Bestattungswald?

Uli Heynen: Nein, in erster Linie sind wir betriebswirtschaftlich organisiert. Wir müssen die 120 Mitarbeiter von unseren Einnahmen bezahlen. Und im Rahmen dieser Vorgabe versuchen wir, die Friedhöfe in Dortmund so grün wie möglich zu halten. Die Obstbaumgräber bieten wir an, um Kunden zu gewinnen und zu binden – und diese Idee passt eben wunderbar in unser Konzept. Die Leute wollen einen Friedhof, sie sind auch bereit, zu bezahlen, aber sie möchten einen Gegenwert haben.

Dunkelbunt: Was, glauben Sie, ist in zehn Jahren anders auf Dortmunder Friedhöfen?

Uli Heynen: Wenn die Politik weiterhin so gut zu uns hält wie bisher, dann werden wir auch in zehn Jahren noch unsere grünen Friedhöfe haben, vielleicht sogar noch schönere, was die Grünanlagen angeht. Die Tendenz zur Urne wird noch mehr zunehmen. Vielleicht gibt es andere Bestattungsarten, vielleicht werden Leichen gefriergetrocknet statt verbrannt. Die Möglichkeit, Urnen mit nach Hause zu nehmen, wie es jetzt in Bremen erlaubt ist, wird jedoch nicht zunehmen.

Friedhofsplanung ist Jahrhundertplanung. Sie können ja nicht einfach einen Friedhof dicht machen, denn es gibt laufende Nutzungsrechte, die verkauft sind. Und Dortmund hat es ja erlebt…. 98 Prozent der Städte scheitern mit dem Versuch, einen Friedhof dicht zu machen. Denn sofort bildet sich eine Bürgerinitiative, auch von Bürgern, die kaum etwas mit dem Friedhof zu tun haben.

Dunkelbunt: Friedhof ist mehr als eine Bestattungsfläche, oder?

Uli Heynen: Na klar, über den Friedhof hat man früher schon den Kinderwagen geschoben. Friedhof ist auch ein Stück Heimat. Es haben jetzt sogar die Städteplaner begriffen, dass Friedhöfe wichtig sind und dass sie ein wichtiger Kommunikationsort sind für die Nachbarschaft.

Das Gespräch führte Beate Schwedler.

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