Fragt einfach die Kinder!

„Lebe, bevor du stirbst, denn das Leben ist schön!“ Das hat Annette Rosskamp von den Kindern gelernt. Von besonderen, schwer kranken Kindern, denen sie viele Jahre lang ehrenamtlich Herzenswünsche erfüllt hat.

Das Vermächtnis dieser Kinder gibt sie in ihrer Arbeit als Trauerbegleiterin und –rednerin weiter  und auch in Vorträgen für Bestattungshäuser. Thema ist dann zum Beispiel die Angst vorm Sterben und wie man ihr begegnen kann.

Visuell begleitet wird sie dabei von Werken der Hertener Fotografin Annette Schubert: „Sterben heißt, das Ufer des Lebens zu verlassen, um an das Ufer der Ewigkeit zu gelangen.“
Annette Rosskamp ist das, was man unter einem liebenswerten Wirbelwind versteht. Wenn man ihr gegenüber sitzt, verursacht das quirlig-offene Wesen der Blondine mit dem sympathischen Lächeln sofort gute Laune. Ein Typ Mensch, mit dem man gern Zeit verbringt. Und eine Frau, die so viel Lebenserfahrung mitbringt, dass es leicht fällt, mit ihr über das Leben – und das Sterben – zu plaudern.

Im Ehrenamt Kinderwünsche erfüllt

14 Jahre ihres Lebens hat sie in Würzburg verbracht. Der gelernten Bürokauffrau war das Ehrenamt immer wichtig gewesen. „Die Erfahrung, einen an Leukämie erkrankten 9-jährigen Jungen und seine Familie zwei Jahre lang bis zu seinem Tod zu begleiten, war für mich so prägend, dass ich mich in Würzburg an der Uni-Kinderklinik gemeldet habe, um Herzenswünsche für an Krebs erkrankte Kinder zu erfüllen.“

Eine zweijährige Trauerbegleiterausbildung, eine Kinderhospizhelfer-Ausbildung sowie
die eigenen überwundenen Lebens-Höhen und -Tiefen bildeten die Basis für dieses Ehrenamt. Viele Kinderwünsche half Annette Rosskamp mit den Jahren zu realisieren. Einmal einen Star kennenlernen, ein Musical sehen, Ferrari fahren, Wölfe in der freien Natur sehen oder ein Laptop – die Wünsche waren so individuell wie die Kinder selbst.
„Viele Kinder wurden nach der Krebsbehandlung wieder gesund, und es ist toll für mich, wenn ich mitverfolgen kann, wie es mit ihnen weitergeht. Manche werden dann sogar selbst Arzt oder ergreifen einen anderen sozialen Beruf.“

Andere Kinder fragten Annette Rosskamp, ob sie bei ihrer Beerdigung die Beschreibung ihres Wesens übernehmen, ihre Eltern trösten und die Grabrede halten könnte. „Das war ein Wunsch, den ich nicht abschlagen konnte“, erzählt sie. Angesichts dieser Kinder, die keine Angst vor dem eigenen Sterben haben, sondern die sich Gedanken darüber
machen, wie Mama und Papa mit ihrem Tod klar kommen werden, komme man mit seinen eigenen alltäglichen Sorgen sehr auf den Boden zurück.

Alle Vergänglichkeit weist auf das Leben hin

Annette Rosskamp, die seit einigen Jahren wieder in Herten und Soest lebt, erzählt regelmäßig in Schulen und Kindergärten von ihrer Zeit mit diesen Kindern. „Oft werde ich gefragt, wie man einem Kind den Tod des Opas oder eines geliebten Haustiers erklärt. Ich antworte dann: Fragt einfach die Kinder selbst. Denn eigentlich sind wir Erwachsenen diejenigen, die mit dem Tod nicht umgehen können.“

Die Art, wie Kinder mit dem eigenen Tod umgehen, vermittelt eine zutiefst lebensbejahende Haltung. „Von ihnen habe ich gelernt, dass alles Sterben, alle Vergänglichkeit auf das Leben hinweist. Der Tod erinnert uns daran, zu leben. Wir können ihm ohne Angst entgegensehen. „Die Angst vor der eigenen Sterblichkeit überwinden“ heißt ein Vortrag, mit dem sie aktuell – u.a. im Bestattungsinstitut Götza – unterwegs ist. „Ich kann den Leuten kein für alle gültiges Rezept bieten, wie man das macht, aber ich kann davon berichten, wie die Kinder das sehen.“

Auch ihre eigene Einstellung zum Leben hat sich geändert. Klar gab und gibt es auch in Annette Rosskamps Leben Tage, an denen man sich lieber selbst bemitleiden würde, weil es gerade nicht nach Wunsch läuft. „Ich sage mir dann immer: Nicht schwächeln, Annette, die Kinder tun’s auch nicht.“ Ihre ganz persönliche Erkenntnis aus der Arbeit mit den Kindern lautet: „Man hat jeden Tag aufs Neue die Möglichkeit, anzufangen. Das Leben ist ein Geschenk, auch wenn es nicht immer in Glitzer eingepackt ist.“

Maritim inspirierte Bilderkollektion von Annette Schubert

Begleitend zum Vortrag im Bestattungshaus Götza präsentiert die Hertener Fotografin Annette Schubert ebenso inspirierende wie berührende Landschaftsbilder. Fotografieren bedeutet für die Künstlerin unterwegs sein. Zum Gedanken, dass auch das Sterben ein „Sich-auf-den-Weg-machen“ ist, vom Ufer des Lebens an das Ufer der Ewigkeit, hat Annette Schubert eine Kollektion ihrer maritim geprägten Fotografien zusammengestellt. Bilder, die die unendliche Weite des Himmels einfangen, die menschliche Sehnsucht nach Aufbruch und Ankunft spiegeln und das zuvor Gehörte auf ästhetisch-schöne Weise vertiefen.

Text: Karin Bruns
Fotorechte: Annette Rosskamp, Annette Schubert (Foto: „Aufbruch ins Ungewisse“)

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