Tausend Todesfälle auf dem Tisch: grafit-Verlagschefin Ulrike Rodi

Seit 1992 arbeitet Ulrike Rodi beim Grafit Verlag – seit 2010 ist sie die Verlegerin. Todesfälle, präziser gesagt Mord und Totschlag, begleiten sie an praktisch jedem Arbeitstag, denn der Grafit Verlag aus Dortmund ist auf Kriminalromane spezialisiert. Dunkelbunt sprach mit Ulrike Rodi darüber, woher die literarische Lust am (gewaltsamen) Tod stammt.

Dunkelbunt: Wenn man die Verkaufszahlen der Krimiliteratur und auch die Sendezeiten im Fernsehen vergleicht, könnte man zu dem Schluss kommen, dass nicht Sex sells, sondern Mord. Ist das so?

Ulrike Rodi: Ja, der Schluss lässt sich wohl ziehen. Wobei es vermutlich weniger ein Mord ist, der reizt, sondern das drum herum gebaute Rätsel.

Dunkelbunt: Was macht den Krimi aus Ihrer Sicht so faszinierend?

Ulrike Rodi: Das schon genannte Rätselgespinst, das zum Mitdenken/-raten auffordert. Das möglicherweise überraschende Einblicke in ungewöhnliche Milieus, in psychische Abgründe bietet. Das mich berührt, weil es meine Lebenswelten berührt – zugleich bin ich selbst aber außerhalb jeder Gefahr. Das sich auf unterschiedlichstes Weise erzählen lässt: lustig, brutal, realistisch, satirisch, actionreich und und und.

Einige Titel aus dem Frühjahrsprogramm 2018 des grafit Verlages Dortmund

Dunkelbunt: Müssen Mörder am Ende immer geschnappt und dingfest gemacht werden oder dürfen sie auch entkommen?

Ulrike Rodi: Vermutlich sind die meisten froh, wenn das Böse am Ende besiegt ist – dann lässt es sich einfach besser schlafen. Ich persönlich mag auch Geschichten, die ein offenes Ende haben oder die den Mörder dann tatsächlich entkommen lassen. Das Leben ist halt bunt und diese Buntheit sollte ein Krimi wiederspiegeln.

Dunkelbunt: Krimis basieren praktisch immer auf einer Gewalttat – diese muss schließlich auch vom Autor beschrieben werden. Wie sehen Sie dies aus lektorierender Sicht: Wieviel Grausamkeit muss sein und wann ist es zuviel?

Ein Grappa-Krimi aus dem grafit Verlag Dortmund

Ulrike Rodi: Och, Gewalttaten müssen nicht immer beschrieben werden. Manche Gewalttat wirkt umso brutaler, wenn nur von den Folgen erzählt wird. Die Beschreibungen von Gewalt in einem Roman sollte immer erzählerisch motiviert sein, z. B. um Charaktere (kann ein Ermittler, Täter, Opfer, Nebenfigur sein) herauszuarbeiten. Oder die Geschichte in eine bestimmte Richtung zu stoßen. Gewaltdarstellungen, die nur dazu dienen, den Ekelfaktor zu erhöhen, lehne ich ab.

Dunkelbunt: Ihnen sind in Ihren Verlagsjahren nun schon viele Todesfälle untergekommen – ändert der literarische Umgang mit dem Tod etwas in Ihrem Umgang mit dem Tod auf persönlicher Ebene?

Ulrike Rodi: Ein klares Nein.

Dunkelbunt: Gibt es typische Krimi-Sätze, die Sie nach vielen, vielen Krimijahren nicht mehr lesen können? Und falls ja, welche sind das?

Ulrike Rodi: Gute Frage. Interessanterweise fällt mir aber kein solcher Satz ein. Aufforderungen wie „Harry, hol schon mal den Wagen“ gibt es in unseren Krimis nicht.

Dunkelbunt: Wer liest mehr Krimis – Männer oder Frauen? Und woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Ulrike Rodi: Die Statistiken besagen, dass etwas mehr Frauen als Männer Krimis lesen. Woran das liegt? Möglicherweise, weil Frauen grundsätzlich eher der Belletristik zugetan sind, dafür mehr Männer zu Sachbüchern greifen? Vielleicht ist in uns Frauen ein „Wir lieben gute Geschichten“-Gen, weil wir in der Steinzeit am Feuer uns Geschichten ausdenken mussten. Männer sind zur Jagd gegangen und haben wirklich was erlebt. Aber das ist nur eine wilde Vermutung.

Dunkelbunt: Was ist Ihnen als Verlegerin wichtig – was muss einen Kriminalroman auszeichnen, damit er bei grafit erscheint?

Ulrike Rodi: Das lässt sich schwer greifen: Die Erzählstimme sollte etwas Eigenes haben, die Figuren interessant, das Rätsel nicht zu leicht zu knacken sein. Schön ist, wenn man Eintauchen kann in eine Welt, in ein Milieu und man dort neue Facetten unserer Gesellschaft, unseres Miteinanders (was im Krimi dann ja oft genug ein Gegeneinander ist) kennenlernt. Ich persönlich mag es gern wendungsreich, doch Spannung lässt sich auch im Unterton langsam steigern.

Die Fragen stellte Beate Schwedler
Fotos: Marc Ahrens

Grafit-Verlag Dortmund

Info zum Grafit Verlag:

Die Grafit GmbH wurde 1989 gegründet von Rutger Booß, einem Lektor des ehemaligen Weltkreis-Verlags in Dortmund, und ist bis heute konzernunabhängig. Der Verlag hat sich auf die Herausgabe deutschsprachiger Spannungsliteratur spezialisiert. Die Eifel-Krimis von Jacques Berndorf stürmten seinerzeit die Bestsellerlisten und auch der münstersche Privatdetektiv Georg Wilsberg, der in den Romanen von Jürgen Kehrer ermittelt, dürfte überregional bekannt sein. Zuletzt sorgten vor allem die in Südfrankreich spielenden Krimiromanzen von Silke Ziegler für große Aufmerksamkeit.

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