Hospizarbeit: Wer entscheidet, was gut ist?

Wenn ein Kind so schwer erkrankt, dass keine Aussicht auf Heilung bleibt, gerät die Familie in eine totale Ausnahmesituation. Der Ambulante Kinder- und Jugendhospizdienst Dortmund hilft den betroffenen Familien. Thorsten Haase, beruflich in der Kommunikationsberatung und im Marketing zu Hause, arbeitet ehrenamtlich im Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Löwenzahn in Dortmund. Hier erklärt Thorsten Haase, was ein Kinderhospizdienst eigentlich genau macht:

Frage: Wie lange gibt es schon ambulante Kinderhospizarbeit in Deutschland, für welche Menschen ist sie zuständig?

Thorsten Haase: Ambulante Kinderhospizarbeit in Deutschland gibt es seit knapp 30 Jahren. Wir begleiten Familien mit lebensverkürzt erkrankten Kindern im Dortmund. Statistisch gesehen gibt es ca. 300 betroffene Familien in Dortmund.

Frage: Wie funktioniert ein ambulanter Kinderhospizdienst genau?

Thorsten Haase: Es gibt hauptamtliche Mitarbeiter und viele Ehrenamtliche. Die Hauptamtlichen koordinieren die Arbeit der Ehrenamtlichen und stellen die Kontinuität der Arbeit sicher, kümmern sich um Spenden und bilden neue Ehrenamtliche aus. Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begleiten lebensverkürzt erkrankte Kinder, Geschwister oder Eltern.

Frage: Was brauchen die Familien in dieser besonderen Situation?

Thorsten Haase: Nach der Diagnose der lebensverkürzenden Erkrankung für das Kind ist die Familie meist über Jahre in einer totalen Ausnahmesituation. In dieser Situation ist es die Aufgabe des Ambulanten Kinder und Jugendhospizdienstes, so viel Lebensqualität und Teilhabe zu ermöglichen, wie es nur geht. Dinge, die für uns einfach und alltäglich sind, werden für Familien mit erkrankten Kindern oft nur sehr schwer möglich oder praktisch unmöglich. Für ein Kind, das beatmet wird und regelmäßig abgesaugt werden muss, einen Kinogang zu ermöglichen, ist ein ganz großes Erlebnis. Die Mitarbeiter sind also in der Begleitung eines der Familienmitglieder. Die konkrete Arbeit richtet sich dann nach den Bedürfnissen und den Möglichkeiten.

Frage: Wie viele Kinder bzw. Familien werden von einem Dienst betreut?

Thorsten Haase: In der Regel begleiten Dienste zwischen 20 und 30 Familien, damit die Athmosphäre persönlich bleibt.

Frage: Wie können sich ehrenamtliche Mitarbeiter einbringen?

Thorsten Haase: Bevor es in die Begleitung geht, werden neue Ehrenamtliche in einem 100 Stunden umfassenden Kurs auf die Arbeit vorbereitet. Hier wird Wissen vermittelt und es ist möglich zu überprüfen, ob die eigenen Haltung für die Arbeit geeignet ist. Das bedeutet, dass der Erkrankte in den Mittelpunkt der Begleitung gestellt wird und das, ohne eigene Maßstäbe anzulegen, was man selbst glaubt, was gut und richtig ist für den begleiteten Menschen. Den anderen in seinen Wünschen und geäußerten Bedürfnissen zu hundert Prozent als gut und richtig anzunehmen ist als Haltung die Grundlage jeder Hospizarbeit, der Kinderhospizarbeit erst recht.

Frage: Also hilft der Vorbereitungskurs auch, sich in dieser Haltung selbst zu hinterfragen?

Thorsten Haase: Ja, dies wird in dem Vorbereitungskurs unter verschiedenen Perspektiven immer wieder bearbeitet. Dann gibt es ganz viele Möglichkeiten. Ehrenamtliche können Kinder begleiten, die im Heim leben, beispielsweise in der Lebensarche in Unna Königsborn. Die meisten sind regelmäßig in Familien. Hier wird versucht, den erkrankten Kindern im Rahmen der Möglichkeiten mehr Lebensqualität zu ermöglichen. Das geht von „einfach da zu sein“ über Spielen, Vorlesen und Spaziergänge bis zu den Versuchen, die Kinder mit gleichaltrigen Kindern aus der Nachbarschaft in Kontakt zu bringen. Manchmal erfüllen sich dabei auch für den Ehrenamtlichen besondere Wünsche, beispielsweise wurde bei einer Begleitung eine Fahrt in einem Rennwagen auf den Nürburgring für ein Kind organisiert. Aber auch auf der Oberfläche gesehen eher ruhige Begleitungen sind für die Kinder sehr wichtige Ereignisse der Wochen. Und natürlich können Ehrenamtliche auch bei normalen Arbeiten helfen: Büro, Post, Öffentlichkeitsarbeit usw.

Frage: Wovon lebt ein Kinderhospizdienst?

Thorsten Haase: Ca. 25 Prozent der Gelder kommen von der Krankenkasse und 75 Prozent aus Spenden. Für die Familien ist der Dienst immer kostenlos.

Frage: Schauen wir mal in die Glaskugel: Wie sieht die Zukunft Ihrer Arbeit aus – was wird sich verändern in den nächsten zehn Jahren?

Thorsten Haase: In ganz Deutschland sind die Zahlen geradezu dramatisch. Nur ein winzig kleiner Teil der Familien wird in dieser sehr schweren Situation begleitet. Oft wissen Familien nichts von den Möglichkeiten. Oder im Einzugsbereich ist einfach kein Hospizdienst greifbar. In manchen Bundesländern gibt es kaum Hospizdienste für Kinder. Die Zukunft? Ganz klar, die Zahl der Familien die sich begleiten lassen, wird in den nächsten Jahren deutlich steigen.

Informationen über die Arbeit des Dienstes und natürlich auch die Kontonummer für Spenden finden Sie hier:
Webseite Ambulanter Kinder- und Jugendhospizdienst Löwenzahn in Dortmund

 

Dieser Beitrag wurde 9542 mal näher angesehen!

1 Kommentar

Schreibe einen Kommentar