Diskussion über Lebens-Wichtiges: wie geht gute Ernährung?

Sind Bio-Avocados aus Peru die Lösung für eine gute Ernährung? Brauchen wir mehr krumme Gurken? Sind Tariflöhne im Bioladen wichtig? Um solche Fragen ging es beim Dunkelbunt-Abend Nummer drei.

Stefan Schlepütz (rechts), Inhaber des „Kornhaus“, erläuterte sein Konzept vom Biohandel

Stefan Schlepütz übernahm 2005 von Volkmar Bohle den ältesten Bio-Laden Dortmunds – das heutige „Kornhaus“ an der Lindemannstraße. 1982 wurde dieser erste Bio-Laden in der Stadt gegründet, er hieß damals noch „Grashalm“ und kam mit 25 Quadratmetern aus. Heute wird auf 150 Quadratmetern gearbeitet  – damit war das „Kornhaus“ eine zeitlang dergrößte Bioladen der Stadt und ist inzwischen der zweitkleinste. Denn es kamen Bio-Ketten hinzu.

Die ersten Bioläden mussten Vieles erst erfinden

Die Inhaber der ersten Bioläden mussten vieles erst erfinden, von der Auswahl der Lieferanten, über die Entstehung von Bio-Siegeln bis hin zu wirtschaftliche sinnvollem Verkauf. Stefan Schlepütz, der in Bonn Landwirtschaft studierte, erläuterte, dass Biolandbau die älteste Form der Landwirtschaft überhaupt sei. Erst in den Fünfziger und Sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts kam der massenhafte Dünger- und Chemieeinsatz in der Landwirtschaft zum Zug. Dann folgte der Schock von Tschernobyl 1986 – junge Eltern durften beispielsweise ihren Kindern keine frische Milch geben. Dagegen wollten die Biobauern Alternativen setzen.

Krumme Möhren sind hier erlaubt

Von Anfang an gab es viele offene Fragen zur Vermarktung. Schlepütz: „Seit dem Krieg wurden Lebensmittel immer nur über den Preis vermarktet, sollten also billig sein. Ganz das Gegenteil war in der gleichen Zeit die Vermarktung von Autos.“ Darin würden sich auch Wertvorstellungen widerspiegeln. Nach dem Krieg hätten die Deutschen 50 Prozent ihres Einkommens für Essen ausgegeben, heute seien es gerademal 17 Prozent.

In Frankreich beispielsweise würde der Qualität der Lebensmittel weitaus mehr Wert beigemessen und dementsprechend dürften sie auch mehr kosten.

Flugware im Bioladen?

„Ich möchte nicht nur mit alternativen Produkten handeln, sondern ich möchte überhaupt alternativ handeln“, so das Motto von Stefan Schlepütz. Dazu gehört für ihn auch, dass Bioware keine Flugware sein darf. Bio-Avocados aus Peru wird es deshalb im „Kornhaus“ nicht geben.

Die Kiwis kommen aus Frankreich und eben nicht aus Neuseeland. Schlepütz ist wichtig, den Unterschied klar zu machen zu anderen, speziell zu Bio-Discounter. Deshalb ist das „Kornhaus“ auch als CO2-Vermeider zertifiziert. Einige Kompromisse werden gemacht – es gibt auch Baguettes aus Weißmehl. Aber niemals gibt es eine Preisdiskussion. Schlepütz: „Wenn ich den Laden nicht mit Tariflöhnen führen kann, dann eben nicht.“

Zwei-Klassen-Bio

Zudem folgt er im Einkauf einer klaren Regionalstruktur. Und das ist im Ballungsraum Ruhrgebiet gar nicht mal so einfach, denn so viele Bio-Höfe gibt es nicht. Konsequent ökologischer Anbau und geringe Preise passten einfach nicht zusammen. Die niedrigen Preise beispielsweise bei Aldi-Bioprodukten erforderten an einigen Stellen eben doch Kompromisse. Letztlich, meint Schlepütz, wird das System auf ein Zwei-Klassen-Bio hinauslaufen.

Dr. Helga Janzen und Joern Hartwig von der Solidarischen Landwirtschaft

Solidarische Landwirtschaft

Eine andere Form von Solidarität mit Biobauern entstand in den 80-er Jahren in den USA – das Modell der „Solidarischen Landwirtschaft“ (Solawi), was nichts mit dem Handel zu tun hat, sondern mit dem Anbau. Auf einem Stück Land bauen Mitglieder der Gemeinschaft Gemüse an und dies steht anschließend denjenigen zu, die das Projekt mit ihren Mitgliedsbeiträgen finanzieren. Es geht den Solawisten auch darum, dass Gurken auch krumm sein dürfen und Kohlköpfe im Vergleich zur Ladenware auch mal gewöhnungsbedürftig aussehen.

Der Solawi-Garten zwischen Witten, Dortmund und Herdecke

Die Bewegung entstand rund um einen Deutschen, der seine Bio-Farm retten wollte. Schnell entstanden einige tausend solcher Betriebe, die von Bauern beackert und von den Mitgliedern finanziert wurden. Die Solawi Dortmund-Süd und der Verein Krumme Gurke e.V. betreiben seit 2014 zwischen Witten, Dortmund und Herdecke auf einem jahrelang brachgelegenen Grundstück ihr eigenes Gemüse-Reich.

Axel Koop, Gärtner der SOLAWI

Angebaut wird, was die Jahresversammlung im Winter beschlossen hat. Der einzige, der Geld bekommt, ist der Landwirt – was ihm wiederum Planungssicherheit gewährleistet.

Hauptamtlich sorgt der Gärtner Axel Koop auf dem Grundstück dafür, dass alles wächst und gedeiht, wie es professionell funktioniert. Die 25 Mitglieder helfen tatkräftig mit und bekommen samstags dann ihren Teil der Ernte. 40 Euro zahlen sie pro Monat hierfür und die Gemeinschaft leistet sich flexible Beiträge.

Das gärtnerische Prinzip folgt einer Mischkultur und basiert auf klassischer Hackkultur, kombiniert mit Vierfelderwirtschaft.

Schnecken absammeln statt Chemie

„Wir sagen nicht mehr Acker, sondern Garten“, erläutert Koop. Auch in vielen Kleinigkeiten wird ökologisch gedacht. Schnecken werden abgesammelt oder mit Schafwolle vertrieben. Hierfür werden natürlich viele helfende Hände gebraucht. Und auch hier zeigt sich ein sozialer Aspekt der sinnvollen Landwirtschaft, denn auch bei der Solidarischen Landwirtschaft ist die Bezahlung des hauptamtlichen Gärtners ein wesentlicher Beitrag zum Gelingen.

Joern Hartwig, Thorsten Haase, Barbara Engels

Dies ist die Grundproblematik: Die Arbeit auf dem Gemüseacker ist hart. „Deutsche Erntehelfer laufen nach drei Tagen schreiend weg“, meint Schlepütz, „deshalb gibt es soviele Erntehelfer aus Ländern, denen das landwirtschaftliche Arbeiten noch nicht so entfremdet ist.“ Die Solidarische Landwirtschaft trägt ihren Teil bei zur Wiederannäherung, was biologischer Anbau bedeutet: viel Arbeit an frischer Luft.

Es wurde noch eine Weile diskutiert, ob Vernetzung der kleinen oder größeren Bio-Projekte mehr bringt oder eher viel Ressourcen kostet.

(Text: Beate Schwedler)

 

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